Datenschutzhinweise beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement

Arbeitnehmer müssen sich vor einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement mit der Weiterleitung ihrer Gesundheitsdaten an einen „Vorgesetzten“ oder eine „Standortleitung“ nicht einverstanden erklären.

Rechtliche Ausgangslage

Gegenüber einem Arbeitnehmer, der innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist, muss der Arbeitgeber unter Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers und des Betriebsrats bzw. Personalrats klären (§ 167 Abs.2 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)), auf welche Art und Weise die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (Betriebliches Eingliederungsmanagement - BEM).

Will ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigen, der bereits länger als sechs Monate beschäftigt ist, ist das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu beachten. Ein ordentlich durchgeführtes BEM ist zwar keine Voraussetzung für eine wirksame Krankheitskündigung, jedoch ist es empfehlenswert. Das BAG hat festgestellt (BAG, Urteil vom 20.11.2014, 2 AZR 755/13, Rn.39, 40) dass ohne BEM Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess darlegen müssen warum ein solches im konkreten Streitfall nutzlos gewesen wäre.

Vergebliche BEM-Einladungen entlasten Arbeitgeber

Sofern Arbeitnehmer ein BEM-Angebot des Arbeitgebers ablehnen oder auf eine BEM-Einladung gar nicht reagieren und der Arbeitgeber daraufhin die Einladung nach einigen Wochen wiederholt und die Einladungsschreiben rechtlich korrekt sind, ist der Arbeitgeber zu weiteren BEM-Versuchen nicht verpflichtet. 

Das bedeutet aber auch: soweit das BEM-Einladungsschreiben inhaltlich unkorrekt ist oder der Arbeitgeber im Streitfall nicht beweisen kann, dass er dem Arbeitnehmer ein Einladungsschreiben persönlich ausgehändigt oder per Post oder Boten übersandt hat, scheitert die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung bereits an den Formalitäten des BEM-Einladungsschreibens. 

Hierüber hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg zu entscheiden.

Arbeitnehmer oft krankheitsbedingt arbeitsunfähig

Eine langjährig Beschäftigte war in den letzten zwölf Monaten insgesamt mehr als sechs Wochen krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber versandte daher im Januar 2020 ein BEM-Einladungsschreiben per Einwurfeinschreiben an die Arbeitnehmerin.

Zugang des BEM-Schreibens unklar

Allerdings war nicht nachweisbar, ob das Schreiben in den Briefkasten gelangte, d.h. tatsächlich ausgeliefert wurde. Der Arbeitgeber hatte keinen Auslieferungsbeleg, sondern nur einen sog. Sendungsstatus.

Datenschutzerklärung im BEM erforderlich

Das BEM hängt grundsätzlich von der ausdrücklichen und jederzeit widerruflichen Einwilligung des Arbeitnehmers ab. Insofern ist auch eine begleitende datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers im Sinne von Art.9 Abs.2 Buchstabe a) Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) erforderlich.

Dem BEM-Einladungsschreiben war eine sog. „Datenschutzerklärung“ beigefügt, mit der die Arbeitnehmerin aufgefordert wurde, in die Nutzung ihrer Gesundheitsdaten im Rahmen eines BEM einzuwilligen. 

Inhaltlich war die vom Arbeitgeber verfassten datenschutzrechtlichen Einwilligung so formuliert, dass sich die Arbeitnehmerin nicht nur mit der „Erhebung“ und „Nutzung“ ihrer Gesundheitsdaten im BEM einverstanden erklären sollte, sondern auch mit der „Bekanntmachung“ dieser Daten u.a. gegenüber ihrem „Vorgesetzten“ und der „Standortleitung“. Auf diese BEM-Einladung reagierte die Arbeitnehmerin nicht.

Arbeitgeber kündigt krankheitsbedingt

Der Arbeitgeber sprach Ende April 2020 eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung aus. Die Arbeitnehmerin reichte Kündigungsschutzklage ein und hatte damit in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Reutlingen Erfolg (Urteil vom 26.11.2020, 1 Ca 173/20).

Arbeitgeber war mit Klage erfolglos

Nach Ansicht des LAG war die Kündigung – auch wenn gewichtige Gründe vorlagen - im Rahmen der Interessenabwägung nicht sozial gerechtfertigt. Der Arbeitgeber hatte das BEM nämlich nicht oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß eingeleitet, weshalb mildere Mittel als die Kündigung (z.B. in Form einer Änderung der Arbeitsumstände) nicht auszuschließen waren.

Zunächst konnte der Arbeitgeber nicht beweisen, dass das BEM-Einladungsschreiben die Arbeitnehmerin erreicht hatte (was diese abstritt). Denn der Sendungsstatus, auf den sich der Arbeitgeber berufen hatte, enthielt weder den Namen des Zustellers noch eine (Reproduktion der) Unterschrift des Zustellers, mit der er dokumentiert, die Sendung eingeworfen zu haben. Ohne diese konkreten Zustellungsnachweise genügt ein bloßer Sendungsstatus nicht, um einen Anscheinsbeweis der Zustellung zu begründen (LAG, Urteil, Rn.32)

Zudem ging die datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung inhaltlich zu weit, so die LAG-Richter. Dafür, dass die Arbeitnehmerin einer „Bekanntmachung“ ihrer Gesundheitsdaten (einschließlich der Diagnosen) gegenüber der Standortleitung hätte zustimmen sollen, lag AG kein nachvollziehbarer Grund vor. 

 

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