Verstößt das Abstandsgebot von Wettbüros gegen EU-Recht?

Der Bayerische VGH hatte am 21. März 2023 in seiner Entscheidung einen möglichen Verstoß des bayerischen Glücksspielgesetzes (AGGlüStV) gegen das Kohärenzgebot festgestellt.

Kohärenzgebot

Das Kohärenzgebot bezeichnet die Zusammenwirkung und Hinwirkung auf die Erfüllung der Unionsrechtlichen Ziele.
Im Glücksspielwesen soll die Gelegenheiten zum Spiel und die Tätigkeiten in diesem Bereich verringert werden. Vor allem soll vor den Gefahren der Spielsucht so früh wie möglich geschützt werden.
Eine nationale Regelung (hier das AGGlüStV) darf also unionsrechtliche Vorschriften (hier Art. 56 AEUV – Dienstleistungsfreiheit) nur dann einschränken, wenn diese Einschränkung in systematischer und vor allem kohärenter, also einheitlicher, Weise zur Erfüllung des mit dieser Einschränkung verfolgten Gemeinwohlziels (Schutz vor Spielsucht) beiträgt.

Gesetzlicher Hintergrund

Das bayerische Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) normiert in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 für Wettvermittlungsstellen ein Abstandsgebot von 250 Metern Luftlinie (u.a.) zu Schulen für Kinder und Jugendliche und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.
Eine entsprechende Regelung für Spielhallen gibt es im AGGlüStV nicht.
Sowohl von Wettvermittlungsstellen als auch von Spielhallen (oder sonstigen Betrieben mit Geldspielgeräten) gehen die gleichen Gefahren aus: Kinder und Jugendliche werden durch die Außenwerbung oder durch den sog. mere-exposure-Effekt (Gewöhnungseffekt durch ständiges Sehen) beeinflusst. Auch kann der Reiz des Verbotenen insbesondere bei Kindern eine Rolle spielen. Die Gefahren von Glücksspiel können aber (noch) nicht richtig eingeschätzt werden.

Bewertung

Wird also zwar für Wettvermittlungsstellen ein Abstandsgebot normiert, nicht aber für Spielhallen, so liegt hierin ein Widerspruch hinsichtlich der Verwirklichung des Ziels, durch den vorgeschriebenen Abstand die Kinder und Jugendlichen vor den besonderen Gefahren des Glücksspiels zu schützen. Dies gilt trotz der unterschiedlichen glücksspielrechtlichen Bereiche.
Eine sachliche Rechtfertigung der Differenzierung kann nicht gefunden werden.
Das Abstandsgebot als solches ist sowohl unionsrechtskonform als auch verfassungsmäßig. Der Verstoß liegt allein in der Widersprüchlichkeit der bayerischen Regelungen hinsichtlich der Wettvermittlungsstellen einerseits und der Spielhallen bzw. anderen Betrieben mit Geldspielgeräten andererseits.