Umfassende Änderung des SGB V

Informieren Sie sich über die Änderungen durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz und das Präventivgesetz. Die Änderungen traten überwiegend am Tag nach Verkündung – und damit Ende Juli – in Kraft.

Hier finden Sie eine Übersicht über die wichtigsten Neuerungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung:

GKV-Versorgungsstärkungsgesetz

Zur Verbesserung der medizinischen Betreuung wurden zudem zahlreiche neue Maßnahmen in das SGB V eingebaut, die insbesondere für die Patientenbetreuung und -beratung wichtig sind:

  • Rechtsanspruch auf Zweitmeinung (§ 27b SGB V): Vor bestimmten medizinischen Eingriffen besteht nun ein Rechtsanspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Für welche Krankheitsbilder die Zweitmeinung obligatorisch sein soll, muss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) allerdings noch festlegen.
  • Schnellere Termine bei Fachärzten (§ 75 SGB V): Terminservicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen sollen dem Versicherten bei Vorliegen einer Überweisung innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin bei einem Facharzt vermitteln. Keine Überweisung ist notwendig für einen Behandlungstermin bei einem Augenarzt oder Frauenarzt. Gelingt es innerhalb einer Wartezeit von vier Wochen nicht, einen Behandlungstermin zu finden, soll dem Patienten ein ambulanter Behandlungstermin in einem zugelassenen Krankenhaus vermittelt werden. Der Patient kann diese Terminservicestellen in Anspruch nehmen, er muss aber nicht. Nach wie vor kann er bei einem Arzt seiner Wahl selbst einen Termin vereinbaren.
  • Verbessertes Entlassungsmanagement (§ 39 SGB V): Um den Übergang von der Krankenhausbehandlung in die ambulante Nachbehandlung zu erleichtern und Lücken in der Patientenversorgung zu schließen, wird das Entlassungsmanagement erweitert. Dazu erhält der Patient zusätzlich einen Anspruch gegenüber der Krankenkasse auf Unterstützung; bisher war nur das Krankenhaus für das Entlassungsmanagement verantwortlich. Krankenhaus und Krankenkasse müssen die Nachbehandlung und Terminvereinbarungen mit Heilmittelerbringern oder Ärzten entsprechend dem Entlassplan organisieren, wenn der Patient dies wünscht. Zudem dürfen Krankenhäuser nun Arzneimittel in kleinster Packungsgröße, Heilmittel (z. B. Physiotherapie) oder Hilfsmittel für sieben Tage verordnen. Neu ist auch, dass das Krankenhaus Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für sieben Tage ausstellen darf.
  • Mehr Befugnisse für Psychotherapeuten (§ 92 SGB V): Psychotherapeuten können nun mehr Leistungen verordnen (z. B. Krankentransporte, Krankenhausbehandlung, Leistungen zur psychotherapeutischen Rehabilitation sowie Soziotherapie). Um die Wartezeiten zu verkürzen und die psychotherapeutische Versorgung zu verbessern, wird der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, die Psychotherapie-Richtlinie zu überarbeiten.
  • Verbesserter Zugang zu Reha-Maßnahmen (§ 40 SGB V): Bei Leistungen der medizinischen Rehabilitation erhalten Versicherte mehr Auswahlmöglichkeiten: Mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen werden nun im Gesetzeswortlaut explizit genannt. Auch findet das Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB IX jetzt auch im SGB V Anwendung. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, Rehabilitationseinrichtungen zu wählen, mit denen kein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht. Allerdings: Die dabei entstehenden Mehrkosten muss der Betroffene selbst tragen.
  • Unterstützendes Krankengeldfallmanagement (§ 44 SGB V): Für Versicherte, die Krankengeld beziehen, wird ein Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkassen geregelt. So können Krankenkassen die Versicherten beispielsweise bei der Suche nach geeigneten Leistungserbringern, Terminvereinbarungen oder dem Wiedereinstieg in das Berufsleben unterstützen.
  • Krankentransporte (§ 60 SGB V): Der Krankentransport zu einer ambulanten Behandlung ist nun klar unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt.
  • Haushaltshilfe als Sachleistung (§ 132 SGB V): Bislang wurden Leistungen für selbst beschaffte Haushaltshilfen überwiegend im Wege der Kostenerstattung erbracht. Daran wird festgehalten. Neu ist aber die Möglichkeit einer Gewährung der Haushaltshilfe als Sachleistung. Krankenkassen werden verpflichtet, mit geeigneten Personen, Einrichtungen und Unternehmen entsprechende Verträge zu schließen, um bei Bedarf dem Versicherten eine solche Dienstleistung anbieten zu können.
  • Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 137c SGB V): Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung über einen Ausschluss getroffen hat, dürfen weiterhin angewendet werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt.
  • Mehr strukturierte Behandlungsprogramme (§ 137f SGB V): Für mehr chronische Krankheiten als bisher sollen strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden, die die Qualität der medizinischen Versorgung und den Behandlungsablauf verbessern. Der G-BA wird beauftragt, bis Ende 2016 entsprechende Disease-Management-Programme zu entwickeln. Namentlich in § 137f genannt sind dabei die Behandlung von Rückenleiden und Depressionen.
  • Stärkung der Selbsthilfe- und Angehörigengruppen (§ 279 SGB V): Die Entscheidungsgremien des MDK werden um stimmberechtigte Vertreter der Pflegebedürftigen und ihrer pflegenden Angehörigen sowie der Pflegeberufe ergänzt.

Die medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung sowie von Pflegebedürftigen wird mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ebenfalls verbessert:

  • Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen haben Anspruch auf nichtärztliche sozialmedizinische Leistungen, insbesondere auf psychologische, therapeutische und psychosoziale Leistungen, wenn diese unter ärztlicher Verantwortung durch ein medizinisches Behandlungszentrum erbracht werden (§ 43b SGB V).
  • Für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen können medizinische Behandlungszentren zur ambulanten Behandlung eingerichtet werden – entsprechend der bereits für Kinder geltenden Regelung zu sozialpädiatrischen Zentren (§ 119c SGB V).
  • Um die zahnmedizinische Prävention für Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit dauerhaft eingeschränkter Alltagskompetenz zu verbessern, wurde für diese Personengruppen ein Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen geschaffen (§ 22a SGB V).

Auch im Versicherungs- und Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung ergaben sich Änderungen:

  • Defintion der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit (§ 5 SGB V): Bei selbstständig Tätigen, die mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird widerlegbar vermutet, dass sie hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind. Für Selbstständige, die Gesellschafter einer Gesellschaft sind, wird eine Arbeitgebereigenschaft auch dann angenommen, wenn die Arbeitnehmer bei der Gesellschaft beschäftigt sind.
  • Befristete Beibehaltung des Sonderstatus für Tagespflegepersonen (§ 10 SGB V): Die für Tagespflegepersonen geltende Sonderregelung, wonach die Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern generell nicht als hauptberuflich anzusehen ist, wird bis zum 31. Dezember 2018 verlängert. Betroffene können danach weiterhin familienversichert sein bzw. zahlen als freiwillige Mitglieder geringere Mindestbeiträge, sofern die jeweiligen sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Nachreichung der Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigung (§ 46 SGB V): Bei zeitnah nachgereichter AU-Folgebescheinigung bleibt der Anspruch auf Krankengeld künftig bestehen. Um häufig auftretende Probleme beim Nachweis fortdauernder Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden, reicht es nun aus, wenn Beschäftigte, deren Arbeitsunfähigkeit beispielsweise am Freitag endet, am darauffolgenden Montag eine Folgebescheinigung vom Arzt erhalten. Mit dieser Maßnahme wird ein nahtloser Leistungsbezug sichergestellt. Gleichzeitig wird erreicht, dass eine allein aufgrund des Krankengeldbezugs aufrecht erhaltene Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fortbestehen kann.
  • Mitgliedschaft aufgrund des Bezugs von Mutterschaftsgeld (§ 24i SGB V): Mutterschaftsgeld erhalten künftig auch Frauen, deren Arbeitsverhältnis unmittelbar vor Beginn der Schutzfrist endet, wenn sie am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses Mitglied waren. Diese Anspruchsgrundlage begründet gleichzeitig die Fortführung der unmittelbar zuvor bestehenden Mitgliedschaft in der Krankenversicherung. Gleiches gilt für Frauen, die bisher keinen Anspruch hatten, weil ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Urlaubsabgeltung oder wegen einer Sperrzeit ruhte. Auch sie erhalten nun Mutterschaftsgeld. Eine Fortführung der Mitgliedschaft aufgrund des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld kommt in diesen Fällen jedoch nicht in Betracht.

Präventionsgesetz

Ziel des „Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz)“ ist es, die Gesundheit direkt im Lebensumfeld – beispielweise in der KiTa, der Schule, am Arbeitsplatz oder im Pflegeheim – zu fördern. Zudem wurden die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene weiterentwickelt und der Impfschutz verbessert.

Dazu wurden die §§ 20-20h SGB V neu strukturiert bzw. neu eingeführt. Schwerpunkte dieser nationalen Präventionsstrategie:

  • Zielgerichtete Zusammenarbeit: Neben der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Unternehmen der privaten Krankenversicherungen sowie die weiteren Sozialversicherungsträger eingebunden. In einer Nationalen Präventionskonferenz legen sie unter Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsame Ziele fest und verständigen sich auf ein gemeinsames Vorgehen.
  • Mehr Geld für Gesundheitsförderung: Die Krankenkassen und Pflegekassen werden künftig mehr als 500 Mio. Euro in Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention investieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Förderung in den Lebenswelten wie KiTa, Schule, Betriebe, Pflegeeinrichtungen, in der Kommune sowie im eigenen Wohnumfeld mit insgesamt mindestens rund 300 Mio. Euro jährlich.
  • Stärkung der Selbsthilfe: Die finanzielle Unterstützung der gesundheitlichen Selbsthilfe wird um rund 30 Mio. Euro erhöht. Für Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen stellen die Krankenkassen ab dem Jahr 2016 je Versicherten 1,05 Euro zur Verfügung.
  • Prävention in Pflegeheimen: Um Menschen in teil- und vollstationären Pflegeinrichtungen mit gesundheitsfördernden Angeboten zu erreichen und deren Lebensqualität zu verbessern, erhält die Soziale Pflegeversicherung einen Präventionsauftrag (§ 5 SGB XI).
  • Impfschutz für Kinder und Jugendliche: Künftig soll der Impfschutz bei allen Routineuntersuchungen überprüft werden. Bei der Aufnahme eines Kindes in die KiTa muss ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorgelegt werden. Beim Auftreten von Masern in einer Gemeinschaftseinrichtung (z. B. KiTa, Schule, Hort) können die zuständigen Behörden ungeimpfte Kinder vorübergehend ausschließen. Neben dem SGB V ist das Infektionsschutzgesetz entsprechend geändert worden.
  • Impfprävention für Erwachsene: Auch Betriebsärzte sollen künftig allgemeine Schutzimpfungen vornehmen können. Medizinische Einrichtungen dürfen die Einstellung von Beschäftigten vom Bestehen eines erforderlichen Impf- und Immunschutzes abhängig machen. Zudem können Krankenkassen Bonus-Leistungen für Impfungen vorsehen.
  • Förderung des betrieblichen Gesundheitsmanagements: Die Krankenkassen sollen künftig noch mehr als bisher die Beratung und Unterstützung von Unternehmen vor Ort sicherstellen und dabei Unternehmensorganisationen wie Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Innungen beteiligen.
  • Präventionsempfehlung durch Ärzte: Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene wurden die Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen weiterentwickelt (§§ 25, 26 SGB V). Besonderes Augenmerk soll nun auf individuelle Belastungen und auf Risikofaktoren für das Entstehen von Krankheiten gelegt werden. Ärzte erhalten die Möglichkeit, diesbezüglich Präventionsempfehlungen auszustellen.
  • Ausweitung der Hebammenhilfe: Der Zeitraum für die Inanspruchnahme von Hebammenhilfe wird von bisher acht Wochen auf nun zwölf Wochen erweitert, auf ärztliche Anordnung auch länger (§ 24d).