Steuerstraftaten und ihre Folgen: zwei Fälle aus dem Jahr 2022

Bei einer retrospektiven Betrachtung des abgelaufenen Jahres 2022 stechen zwei Verhandlungen hervor.

Das Jahr 2022 ist nunmehr Vergangenheit. Gerichte befassten sich in Strafprozessen immer wieder mit steuerrechtlichen Fällen, die nicht selten auch zu einer Verurteilung der Angeklagten führten. In diesem Zusammenhang stechen 2022 zwei Verhandlungen hervor.

Das Steuerrecht, eine komplexe Materie mit offenbar viel „Gestaltungsspielraum“ 

Das deutsche Steuerrecht ist in seiner Komplexität nicht zu unterschätzen. Aus diesem Grund sind Steuerberater und spezialisierte Anwälte oftmals die ersten Ansprechpartner für diese Thematik. Auf diesem Wege lassen sich mitunter Gestaltungsspielräume ausnutzen, um die eigene Steuerlast legal zu mindern.

Andererseits bietet diese Komplexität auch Potenzial für illegales Handeln. Hier knüpft das Steuerstrafrecht an. Eine vorsätzliche Steuerverkürzung stellt in der Regel eine Steuerstraftat dar. Bei leichtfertiger Begehungsweise liegt mitunter noch eine Steuerordnungswidrigkeit vor.

Die Grenzen zwischen legaler Steuereinsparung und illegaler Steuerhinterziehung sind daher mithin fließend. Zwei bekannte Fälle aus dem vergangenem Jahr zeigen dabei deutlich, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt mehr ist.

Fall 1: Cum-Ex-Geschäftsmodel bringt Steueranwalt in das Gefängnis

Ein Steueranwalt wurde am 13. Dezember 2022 vom Landgericht Bonn (AZ: 62 KLs 2/20) wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Was ist passiert?

Der Cum-Ex-Skandal, sowie der weniger bekannte Cum-Cum-Skandal, beschäftigen die deutschen Gerichte schon seit Jahren. Allein im Zeitraum der Jahre 2001 bis 2016 sind dem deutschen Staat durch Cum-Ex-Geschäfte, sowie den damit verwandten Cum-Cum-Geschäften, nach konservativen Schätzungen zur Folge mindestens 30 Mrd. Euro an Steuereinnahmen entgangen.

Hintergrund: Cum-Ex vs. Cum-Cum

Bei Cum-Ex-Geschäften handelt es sich um eine Kombination aus dem Verkauf einer Aktie kurz vor dem Termin der Dividendenzahlung und Rückkauf derselben Aktie kurz nach dem Dividendentermin (von lateinisch cum „mit“ und ex „ohne“ Dividendenausschüttungsanspruch). Derartige Geschäfte um den Tag der Dividendenauszahlung dienen zuweilen des Erlangens von Steuervorteilen. Denn: Anders als bei Privatpersonen, wo auf eine Dividendenzahlung automatisch die Kapitalertragssteuer erhoben wird, sind institutionelle Investoren (zum Teil) von der Steuerpflicht ausgenommen und können diese daher vom Staat zurückfordern. Für die deutsche Finanzverwaltung war diese Fülle an Transaktionen aber nur noch schwer nachzuvollziehen und führte in bestimmten Konstellationen dazu, dass mehrere daran beteiligten Akteure eine Bescheinigung für eine Steuergutschrift erhielten. Im Endeffekt wurden somit mehr Steuern erstattet, als von der Finanzverwaltung für die betreffende Aktie eingenommen wurde.

In einem richtungsweisendem Urteil bewertete der BGH dieses „Cum-Ex-Geschäftsmodell“ bereits im Jahre 2021 als eine Straftat.

Die weniger bekannten Cum-Cum-Geschäfte dienen demgegenüber der Vermeidung von Kapitalertragssteuer. Anders als in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Anleger, die sich die Kapitalertragssteuer anrechnen lassen können, werden ausländische Investoren beim Erhalt einer Dividende mit der Kapitalertragssteuer definitiv belastet. Um dies zu verhindern werden die Aktien vor Dividendenauszahlung an einen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Akteur übertragen, der sich die Kapitalertragssteuer anrechnen bzw. erstatten lassen kann. Im Anschluss daran werden die Aktien wieder an den ursprünglichen ausländischen Anleger rückübertragen. Dadurch wird der in der Regel stattfindende Steueranfall beim ausländischen Anleger vermieden.

Der BFH hat bereits im Jahr 2015 in einem Urteil derartige Cum-Cum-Geschäfte als illegal eingestuft.

Steuerschaden in Höhe von 276 Mio. Euro

Der Angeklagte ist einer der bekanntesten Beteiligten in diesem Skandal. Nach Auffassung des Gerichts beriet der Steueranwalt als zentrale Figur Banken, Fonds und Investoren bei der Konstruktion des Geschäftsmodels und vermittelte auch Kontakte zu potenziellen Investoren. Zugute kam ihm dabei seine frühere Tätigkeit als Beamter in der hessischen Steuerverwaltung. Dadurch waren ihm die Schwächen und die Schwerfälligkeit der deutschen Finanzverwaltung sicherlich nicht gänzlich unbekannt.

Die in diesem Verfahren zu Last gelegten, strafrechtlich relevanten Handlungen verursachten einen Steuerschaden in Höhe von 276 Mio. Euro. Zur Überzeugung des Gerichts handelte der Angeklagte bei der Begehung Straftaten zumindest noch mit Eventualvorsatz.

Auch wenn dieses Strafverfahren mit dem Urteil seinen ersten Höhepunkt erreicht hat, steht der Angeklagten noch vor weiteren ähnlichen Gerichtsverfahren.

Fall 2: Manipulation des Kassensystems führt zu einer Gefängnisstrafe eines Starkochs

Die letzten Jahre waren für den bekannten Münchner Starkoch schwer. Zuerst musste er Mitte 2021 für sein Gastro-Imperium Insolvenz anmelden. Ende 2022 verurteilte das Landgericht München den Starkoch auch noch wegen Steuerhinterziehung in 21 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten.

Manipulation der Kassensysteme

Nach Auffassung des zuständigen Gerichts hat der Angeklagte in seinen beiden Restaurants in München erwiesenermaßen über mehrere Jahre hinweg insgesamt ca. 5 Mio. Euro an Umsatz aus den jeweiligen Kassen entnommen. Durch diese technische Manipulation der betreffenden Kassensysteme entstand eine Steuerschuld in Höhe von 2,3 Mio. Euro.

Staatsanwaltschaft: „Sehr hohe kriminelle Energie“

Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monate. Vor allem die Tatsache, dass dieser eigens eine Software zur Manipulation der Kassensysteme programmieren ließ, zeige von der hohen kriminellen Energie. Einzig das spätere Geständnis sei noch strafmildernd zu berücksichtigen.

Bezahlvorgänge in den Restaurants waren „ungewöhnlich“

Ein als Zeuge geladener Angestellter des Angeklagten berichtete im Zeugenstand über die in den Restaurants vorgeherrschten Bezahlpraktiken. Nach dessen Schilderungen wurde an dem Tisch eine Art Zwischenrechnung vorgelegt. Erst nach dem Bezahlvorgang sei die Rechnung im Kassensystem registriert worden. Ungewöhnlich sei diese Vorgehensweise nach Auffassung des Richters, da der Betrag der Zwischenrechnung im Zuge dessen noch storniert werden könnte.

Rückzahlung der Steuerschuld

Wird das Urteil rechtskräftig, ist das Steuerstrafverfahren zwar abgeschlossen. Nichtsdestotrotz wird dadurch die Steuerschuld nicht entfallen. Die Finanzverwaltung wird, auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, weiterhin die Rückzahlung der nicht abgeführten Steuerbeträge fordern.