Ein Urlauber tritt bei Ausbruch der Pandemie von seiner Buchung zurück, wenig später wird die Reise nicht mehr möglich – muss er trotzdem die Stornogebühren bezahlen?
Der BGH hat im Rahmen seiner Entscheidung über die Rückerstattung von Stornogebühren am 02. August 2022 die Frage nach der Auslegung des Art. 12 der Pauschalreise-Richtlinie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Sachverhalt
Der Kläger trat zu Beginn der Corona-Pandemie am 1. März 2020 von einer gebuchten Pauschalreise nach Japan Anfang April 2020 zurück. Denn dem Kläger war bekannt, dass bereits Ende Februar von der japanischen Regierung die Absagen sämtlicher Großveranstaltungen und Schulschließungen bis mindestens Anfang April beschlossen wurden. Der Rücktritt der Reise löste Stornogebühren in Höhe von 25% des Reisepreises aus.
Am 26. März 2020 erging für Japan ein Einreiseverbot, woraufhin der Kläger die Stornogebühren zurückverlangte.
Hintergrund
Grundsätzlich kann der Reisende vor Reisebeginn jederzeit kündigen und erhält nach § 651h Abs. 1 Satz 2 BGB den Reisepreis zurückerstattet. Jedoch kann der Reiseveranstalter diesem Anspruch einen Entschädigungsanspruch (Stornogebühren) nach § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB entgegenhalten.
Ein Entschädigungsanspruch steht aber nach § 651h Abs. 3 gerade dann nicht zu, wenn die Reise aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände erheblich beeinträchtigt ist.
Klärungsbedarf durch den EuGH
Strittig ist, zu welchem Zeitpunkt diese unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände vorliegen müssen: Entweder werden sie nur bei Vorliegen zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung berücksichtigt, oder es können auch noch danach auftretende Umstände einbezogen werden.
Im zu beurteilenden Fall ist der Kläger zurückgetreten, bevor das Einreiseverbot (als jedenfalls unvermeidbarer, nicht der Kontrolle der Parteien unterliegender, außergewöhnlicher Umstand) in Kraft trat.
Der BGH neigt zu der Auffassung, dass auch nach der Rücktrittserklärung aufgetretene Umstände zu berücksichtigen sind.
Jedoch ist die Frage zu klären, ob § 651h BGB auch dementsprechend ausgelegt werden kann, oder ob dies im Widerspruch zu Art. 12 Abs. 2 der Pauschalreise-Richtlinie (Richtlinie (EU) Nr. 2015/2302), dessen Umsetzung § 651h BGB dient, steht.
Entscheidung des BGH
Die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten. Sollte der EuGH zu dem Schluss kommen, dass eine Ausweitung auf nachträglich eintretende Umstände nicht mit Art. 12 Abs. 2 der Pauschalreise-Richtlinie vereinbar ist, dann würde der BGH die Sache voraussichtlich an das Landgericht München I zurückverweisen. Denn der Fall hinge dann davon ab, ob die bis zur Rücktrittserklärung bekannten Umstände in Japan (Absage von Großveranstaltungen, Schulschließung) die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen würden. Dies hat die Vorinstanz (das Landgericht München I) nicht hinreichend dargelegt.