Die neue Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz hat ambitionierte Pläne für die Bundeswehr vorgestellt. Ziel ist es, die Truppe zur "konventionell stärksten Armee Europas" auszubauen. Dies soll durch massive Investitionen, strukturelle Reformen und eine personelle Stärkung erreicht werden. Experten mahnen jedoch zur Differenzierung zwischen Symbolpolitik und realistischen Umsetzungsperspektiven.
Kanzler Merz knüpfte in seiner ersten Regierungserklärung an die sicherheitspolitische Zeitenwende seines Vorgängers Olaf Scholz an, geht jedoch deutlich weiter: Deutschland solle nicht nur symbolisch, sondern tatsächlich militärisch führend in Europa werden. Die Bereitstellung aller erforderlichen finanziellen Mittel für die Bundeswehr sei laut Merz Pflicht für ein wirtschaftsstarkes Land wie Deutschland. Die Ankündigung versteht sich auch als Signal an die NATO-Partner, dass Deutschland seine Zusagen einhalten werde.
Materielle und strukturelle Defizite
Der Reformbedarf ist umfassend. Expertinnen wie Amelie Stelzner-Doğan und Susanne Wiegand benennen gravierende Fähigkeitslücken bei Artillerie, Luftabwehr, Aufklärung und Langstreckenwaffen. Zudem fehlen moderne Fregatten, elektronische Kriegführungssysteme und eine integrierte Luftverteidigung. Auch die "Command & Control"-Fähigkeit sei unzureichend. Verteidigungsminister Boris Pistorius will mit einem Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz die Prozesse vereinfachen und ein neues Artikelgesetz zur militärischen Sicherheit vorlegen.
Deutschland sei laut Stelzner-Doğan logistische Drehscheibe der NATO und müsse deshalb massiv in Infrastruktur wie Straßen und Brücken investieren. Rüstungsexperten fordern zudem eine engere Verzahnung von Gesetzgebung, Beschaffungsamt und Industrie. Im Raum steht sogar die Forderung, neue Waffenfabriken zu errichten, um die Bedarfe zügig zu decken.
Mit aktuell rund 183.000 Soldatinnen und Soldaten bleibt die Bundeswehr deutlich unter der Zielmarke von 203.000. Minister Pistorius nennt ein Ausbauziel von 260.000 Aktiven bis 2030, Generalinspekteur Carsten Breuer spricht sogar von 460.000 inklusive Reserve. Die geplante Reform des Wehrdienstes soll zunächst auf Freiwilligkeit setzen, ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr wird diskutiert. Experten zweifeln jedoch, dass die Zielstärken ohne Wehrpflicht erreichbar sind.
Mögliche Finanzierung der Pläne
Die finanziellen Dimensionen der Reform sind erheblich. Außenminister Wadephul brachte eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bundeshaushalts ins Spiel, was rund 225 Milliarden Euro jährlich bedeuten würde. Merz zeigte sich hierzu zurückhaltend. Verteidigungsminister Pistorius strebt an, die Bundeswehr bis 2029 "kriegstüchtig" zu machen. Eine Umsetzung des Gesamtprojekts bis in die 2030er-Jahre gilt unter Experten als realistisch.
Reaktionen aus dem In- und Ausland
Die Pläne stossen international auf Zustimmung. Partnerländer würden seit Jahren mehr Engagement von Deutschland fordern. Die Bundesregierung sieht sich in der Pflicht, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Dennoch warnen Fachleute wie Alexander Graef davor, die Aussage zur "stärksten Armee Europas" wörtlich zu nehmen. Es gehe vor allem um ein starkes politisches Signal und die Bereitschaft, innerhalb der NATO Verantwortung zu übernehmen.
Quellen:
https://www.merkur.de/politik/staerkste-armee-europas-wie-merz-die-bundeswehr-umgestalten-will-zr-93741584.html
https://www.bmvg.de/de/aktuelles/minister-kuendigt-kuenftige-schwerpunkte-an-5939340
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/friedrich-merz-will-konventionell-staerkste-armee-europas-was-heisst-das,UlFpIyl