Mietzahlungsansprüche während coronabedingter Geschäftsschließungen

Das aktuelle Urteil des BGH zur Mietzahlungspflicht trotz pandemiebedingten staatlich angeordneter Geschäftsschließungen schafft Klarheit zu den Ansprüchen der Vermieter auf rückständige Miete.

Ansprüche des Vermieters auf rückständige Miete gegen den Mieter ergeben sich grundsätzlich aus § 535 Abs. 2 BGB. Folgende Prüfungsschritte sind dabei zu beachten:

Wirksamer Mietvertrag liegt vor

Zwischen den Parteien muss ein wirksamer Mietvertrag vorliegen. Die Parteien müssen sich über die wesentlichen Vertragsbestandteile einig sein.

Anspruch darf nicht erloschen sein

Der sich aus § 535 Abs. 2 BGB ergebende Anspruch auf Mietzahlung darf nicht erloschen sein. Von Gesetzes wegen darf der Anspruch also nicht/nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

1. Erlöschen durch Kündigung/Zeitablauf:

Der Vertrag darf nicht durch rechtswirksame Kündigung (§§ 568, 573 BGB) oder vertraglich vereinbarten Zeitablauf (§ 575 BGB) unwirksam geworden sein.

  • Art. 240 § 2 EGBGB beschränkt das Kündigungsrecht wegen rückständiger Miete, wenn die Mietzahlungen aufgrund der Umstände und Folgen der Corona-Pandemie ausblieben.
  • Art. 240 § 2 EGBGB ist keine abschließende Regelung mietrechtlicher Gewährleistungsvorschriften, sodass daneben auch das allgemeine schuldrechtliche Leitungsstörungsrecht anwendbar bleibt. Die Norm dient der Erhaltung der Mietverträge und soll gerade nicht die Vermieter schützen.

2. Ausschluss/Minderung des Anspruchs wegen Mangel:

Aus § 536 Abs. 1 BGB folgt der automatische (zumindest teilweise) Ausschluss der Mietzahlungspflicht, wenn ein Mangel in der Mietsache vorliegt.

  • Ein Mangel ist das Abweichen von der vertraglich geschuldeten Leistung.
  • Schließungen von Einzelhandelsgeschäften aufgrund der Coronapandemie führen nicht zu einem Mangel der Mietsache.
  • Maßnahmen des Gesetzgebers, die den vertraglich festgelegten Gebrauch der Mietsache einschränken, sind nur dann als Mangel zu verstehen, wenn sie an die konkrete Beschaffenheit, den Zustand oder der Lage des Mietobjekts anknüpfen. Die Allgemeinverfügung zur Geschäftsschließung diente der Kontaktreduzierung zur Ansteckungsreduzierung und betraf daher lediglich die Nutzungsart (= Verwendungsrisiko des Mieters!).
  • Zwar ist eine Zugangsbeschränkung für Kundenverkehr gerade bei Gewerberäumen grds. als Mangel zu verstehen (Kundenverkehr als Voraussetzung zur vertragsgemäßen Nutzung), doch ohne die Bezugnahme auf die Lage oder Beschaffenheit des Mietobjekts würde der Mangelbegriff deutlich ausgeweitet werden. Die Allgemeinverfügung betraf alle Geschäfte, die nicht der Grundversorgung dienten, ohne die Lage der Mietsache zu berücksichtigen.
  • Ein vereinbarter konkreter Mietzweck lässt – nach Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB – nicht auf die unbedingte Verpflichtung des Vermieters zur Leistung der hierfür erforderlichen Mittel schließen. Die Leistungspflicht erstreckt sich nur auf die eigene Leistung des Vermieters; dieser hat gerade nicht für öffentlich-rechtliche Beschränkungen einzustehen.

3. Wegfall der Gegenleistungspflicht, § 326 Abs. 1 BGB:

Ist der Vermieter von seiner Leistungspflicht (§ 353 Abs. 1 BGB) befreit, so lässt § 326 Abs. 1 BGB die Leistungspflicht des Mieters (§ 353 Abs. 2 BGB) entfallen.

Dem Vermieter ist es durch die angeordnete Geschäftsschließung nicht/nicht gänzlich unmöglich den vertraglich geschuldeten Pflichten zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache nachzukommen.

4. Anpassung nach Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB:

Da die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts nicht durch Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen sind (s. o.), kann der Mietzahlungsanspruch wegen Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB (teilweise) auszuschließen sein.

  • Da die Corona-Pandemie bei Vertragsschluss im Jahr 2013 nicht vorhersehbar war, hat sich die Erwartung der Parteien, dass die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse bestehen bleiben, nicht erfüllt (= Störung der großen Geschäftsgrundlage).
  • Verzicht auf mietrechtliche Gewährleistungsansprüche seitens des Mieters schließt – im Wege der Auslegung – nicht per se die Übernahme des Verwendungsrisikos bei weltweiter Pandemie aus.
  • Die COVID-19-Pandemie ist dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen und fällt gerade nicht in den Risikobereich der Parteien, da die wirtschaftlichen Nachteile nicht auf unternehmerischen Entscheidungen beruhen, sondern auf staatlichen Anordnungen. Diese hoheitlichen Maßnahmen sind weder der Sphäre des Mieters noch der des Vermieters zuzuordnen.
  • Nicht jede Störung der Geschäftsgrundlage berechtigt zur Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) bzw. Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB). Die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ist konkret für jeden Einzelfall zu prüfen und darf auch bei pandemiebedingten Geschäftsschließungen nicht pauschal mit der hälftigen Aufteilung der Miete abgegolten werden.
  • Im Rahmen der Prüfung der Unzumutbarkeit sind auch finanzielle Vorteile mit endgültiger Kompensation (insb. staatliche Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile, oder Leistungen einer Betriebsversicherung; nicht Unterstützungsleistungen in Form eines Darlehens) des Mieters zu berücksichtigen.
  • Dem Mieter obliegt hier die Darlegungs- und Beweislast für die Unzumutbarkeit, einschließlich etwaiger Anstrengungen zum Verlustausgleich und vergeblicher Bemühungen um staatliche Hilfeleistungen.

Anspruch muss durchsetzbar sein

Der Anspruch muss gegen den Mieter auch durchsetzbar sein, das bedeutet, dass der Mieter dem Anspruch nichts entgegenzusetzen hat, etwa die Einrede der Verjährung (§ 214 Abs 1 BGB) oder ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB).

Fazit

Dieses Urteil des BGH stellt nunmehr einen Leitfaden für die noch anhängigen Verfahren gleicher Art dar.
Kernaussage ist, dass sich eine pauschale Mietherabsetzung um 50 % in jedem Fall verbiete und staatliche Ausgleichszahlungen zu berücksichtigen sind. Keineswegs kann der Mieter seine Leistungspflicht ohne weitere Erklärung aussetzen oder mindern, vielmehr hat er darzulegen, welche Nachteile ihm durch die Coronapandemie entstanden sind und warum die Mietzahlung daher in voller Höhe unzumutbar ist.


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