EU-Arbeitszeitrichtlinie: Pausen mit Präsenzpflicht gleich Arbeitszeit?

Wieder einmal hatte der EuGH zu entscheiden, ob Pausenzeit, in der ein Arbeitnehmer binnen zwei Minuten einsatzbereit sein muss, als Arbeitszeit anzusehen ist.

Der Europäische Gerichtshof entschied nun: Auch Pausen können grundsätzlich Arbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie sein womit sich anschließend die Frage nach der Vergütung stellt (EuGH, Urt. v. 9.9.2021 - C-107/19).

Feuerwehrmann fordert Pausen-Vergütung

Ein tschechischer Feuerwehrmann forderte Vergütung für Pausen, in denen er sich für einen Einsatz bereithalten musste.

Der ehemalige Betriebsfeuerwehrmann war bei den Prager Verkehrsbetrieben tätig. Während seiner täglichen Arbeitszeit im Schichtbetrieb hatte er zwei Ruhepausen von jeweils 30 Minuten. In diesen Pausen durfte er in der nahen gelegenen Betriebskantine oder in einem Raum seines Arbeitsgebäudes essen. Jedoch war er verpflichtet, sich währenddessen für Einsätze bereitzuhalten und notfalls innerhalb von zwei Minuten startklar zu sein. Nur im Fall eines tatsächlichen Einsatzes wurde ihm diese Zeit als Arbeitszeit angerechnet und vergütet. Ansonsten wurden die Pausen nicht als Arbeitszeit gewertet und folglich nicht vergütet. Er klagte vor den tschechischen Gerichten auf Vergütung der Pausen.

Arbeitszeitgesetze und Unionsrecht enthalten konkrete Regelungen

Neben dem Arbeitszeitgesetz, das genaue Vorgaben macht, wann Ruhepausen während der täglichen Arbeitszeit einzulegen sind, gewährt auch das Unionsrecht garantiert mit seiner Arbeitszeitrichtlinie jedem Arbeitnehmenden bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden Ruhezeiten.

Dennoch tritt immer wieder die Frage auf, ob Zeiten, in denen Arbeitnehmende sich für ihren Dienst bereithalten müssen, als Ruhezeit oder als Arbeitszeit zu werten sind.

Vorlage an EuGH

Das zuständige tschechische Gericht legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) daraufhin den Fall vor - unter anderem mit der Frage, ob die Dauer einer Pause, während der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber für den Fall eines plötzlichen Einsatzes innerhalb von zwei Minuten zur Verfügung stehen muss, als "Arbeitszeit" im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2003/88 anzusehen ist.

Erst jüngst hatte der EuGH zwei Entscheidungen festgelegt, wann Zeiten, in denen Arbeitnehmende sich für einen kurzfristigen Einsatz bereithalten müssen. Danach kommt es bei der Beurteilung darauf an, ob die betroffenen Arbeitnehmenden während dieser Bereitschaftszeiten einschließlich Rufbereitschaften in der Möglichkeit ihrer Freizeitgestaltung "ganz erheblich beeinträchtigt" sind.

Mehr dazu in dem Beitrag “EuGH-Schlussanträge: Bereitschaftszeit als Arbeit?“ 

Rechtsprechung der Vergangenheit bestätigt

In dieser aktuellen Entscheidung hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung bestätigt und entschieden, dass unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der EU-Richtlinie auch eine während der Arbeitszeit gewährte Ruhepause fallen kann, "wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmenden während dieser Zeit auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen".

Zur Beurteilung dessen, ob im konkreten Fall die Pausen Arbeitszeit sind, müssten die Vorgaben des Arbeitgebers im konkreten Fall so streng sein, dass die Möglichkeiten, die Zeit in der Pause selbstständig zu gestalten, "erheblich eingeschränkt" sind.

Diese Bewertung obliege dem nationalen Gericht, vorliegend dem Stadtbezirksgericht Prag. Als Hinweis gaben sie dem Gericht mit, dass es bei der Prüfung nicht auf die Beschränkungen dieser Möglichkeiten ankomme, die auf jeden Fall - aufgrund der nur 30-minütigen Dauer jeder Ruhepause - bestanden hätten. Vielmehr komme es auf die Beschränkungen an, die mit der Verpflichtung einhergehen, innerhalb von zwei Minuten einsatzbereit zu sein.

Frage der Vergütung nicht entschieden

Die Luxemburger Richter wiesen zudem darauf hin, dass das Urteil nur erläutere, unter welchen Umständen eine Pause als Arbeitszeit gewertet werden kann. Die Art und Weise der Vergütung von Arbeitnehmenden für Bereitschaftszeiten unterliege nicht der Richtlinie 2003/88, sondern den einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts.

Sollte demnach z.B. auf nationaler Ebene über Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, eines Tarifvertrags oder eine Entscheidung des Arbeitgebers bestimmet sein, dass Zeiten, in denen tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht werden und Zeiten, in denen keine tatsächliche Arbeit geleistet wird, unterschiedlich vergütet werden, verstößt dies nicht gegen EU-Recht - selbst dann, wenn diese Zeiten insgesamt als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie anzusehen sind.

Quelle: EuGH, Urt. v. 9.9.2021 - C- 107/19