Die Bundeswehr bezieht nach 60 Jahren ihr Sturmgewehr erstmals von einem anderen Hersteller. Diese Meldung sorgte am 14. September für Aufsehen.
Unser Autor Thomas Enke blickt auf die Geschichte der Sturmgewehre in der Bundeswehr und fasst Vor- und Nachteile des Anbieterwechsels zusammen.
Nicht zum ersten Mal in der Geschichte der Bundeswehr soll das neue Sturmgewehr von einem anderen Hersteller als Heckler & Koch kommen. Zur Erinnerung: Erst mit dem Sturmgewehr G3 trat die Firma H&K in den Ring und hatte gleich einen guten Wurf getan. Das erste Gewehr G1 kam vom Belgischen Hersteller FN und das G2 war das Schweizer Gewehr SIG 510, welches allerdings nur als Erprobungsmodell in der Bundeswehr zu finden war.
Mit dem G3 kam eine Waffe in die Bundeswehr, die schon zur Zeit des Zweiten Weltkriegs entwickelt und in Spanien als Cetme A bis C weiterentwickelt wurde. Somit erhielt im Jahr 1959 die Bundeswehr eine Waffe, die schon mehr als 10 Jahre reifen konnte.
Probleme beim Nachfolger des G3
Der Nachfolger G36, ebenfalls von H&K, hatte da weniger Glück. Spätestens seit dem Einsatz in Afghanistan, allerdings auch schon vorher, zeigte sich, dass die Waffe an sich recht gut, aber zu früh in die Bundeswehr einführt wurde. Neben Problemen mit dem Verschlusspuffer gab es immer wieder das Manko mit der Treffgenauigkeit bei heißgeschossenen Waffen. Nicht alles war der Waffe, vieles auch der Truppe anzulasten. Zumindest wird das Problem einer heißgeschossenen Waffe bei der Erprobung jetzt mit berücksichtigt.
Nun steht wieder ein Generationswechsel ins Haus. Drei Hersteller standen zur Auswahl. Zwei, nämlich Haenel und H&K blieben zuletzt übrig und das Rennen (the winner is...) machte die Firma Haenel. Das war so nicht zu erwarten.
Waffe von Heckler & Koch schon lange erprobt
H&K ging mit einem alten Bekannten in die Erprobung. Die Waffen HK 416 (5,56 mm x 45 = .223 Remington) und HK 417 (7,62 mm x 51 = .308 Winchester) sind schon etwas länger in der Produktion (seit 2005) und die Kinderkrankheiten sind, nach nun bereits 15 Jahren, in der Version HK 416A7 ausgemerzt. Viele Dinge sind im Laufe der Jahre verbessert worden, nur einige Merkmale sind äußerlich sichtbar, so der Mündungsfeuerdämpfer, der jetzt nicht mehr dem Vorläufer des G3, dem Sturmgewehr 06H aus dem Jahr 1943, ähnelt.
Haenel ein Anbieter mit Tradition
Jetzt soll also ein Produkt aus Thüringen eingeführt werden. Die Fa. Haenel, nach der Wiedervereinigung im Jahr 2008 neu gegründet, hatte bis zur Demontage im Jahr 1945 einen guten Ruf als innovativer Waffenhersteller. Der Name Hugo Schmeisser als Konstrukteur stand für durchdachte Maschinenpistolen. Auch gab es mit dem Sturmgewehr 940 der Fa. VEB Geräte- und Werkzeugbau Wiesa einen Versuch, ein Sturmgewehr an die Bundeswehr zu verkaufen. Man scheiterte damals an der Vorgabe, dass zum Entladen des Sturmgewehres die Waffe, wie bei der Kalaschnikow üblich, entsichert werden musste. Haenel weist daher heute bei seinen Waffen, dem CR223 und dem CR308, gesondert darauf hin, dass zum Entladen eben keine Entsicherung notwendig ist. Ein altes Traumata aus dem Osten der Republik?
Im Gegensatz zum HK416 ist das CR223 ein noch recht junges Produkt. Es wurde bereits von der Landespolizei Sachsen eingeführt. Auch Hamburg hatte diese Waffe gekauft, aber aufgrund von Störungen zur Nachbesserung zurückgegeben. Auch zivile Käufer klagten immer wieder über Zuführstörungen und Anzündversager. Hier scheint aber bereits eine konstruktive Verbesserung stattgefunden zu haben. Nach der Rücksendung von Haenel an die Käufer wurden die entsprechenden Störungen nicht mehr festgestellt.
Die Waffe von Haenel: Solide, aber kein innovatives Modell
Ein Problem? Vielleicht. Eine gute Waffenentwicklung braucht Zeit, viel Zeit. Das CR223 und auch das CR308 sehen recht "hausbacken" aus, als ob man sich gescheut hat, innovativ tätig zu werden und Neuland zu betreten. Das muss nicht schlecht sein. Die von der NATO vorgegebene Bedienung mit einem Verschlusssystem mit Drehkopfverschluss und dem kurzen Gaskolbenhub ist geläufig. Die Waffe hat einen wohlbekannten Mündungsfeuerdämpfer und zum Glück eine geringe Bauhöhe, so dass die Gefahr, den Mündungsfeuerdämpfer zu verschmutzen oder in die Deckung zu schießen, gering ist. Einige Motorhauben des Wolf sind dem G36 zum Opfer gefallen, wenn der Schütze hinter dem Vorderrad kniete und der Schütze zwar eine freie Visierlinie hatte, aber eben nur das.
Gibt es ein politisches Problem? Die Fa. Haenel gehört dem Waffenhersteller Caracal International in Abu Dhabi. Die Volkswagen AG gehört zu 14,6 % der Qatar Holding LLC. Also auch hier eine internationale Verflechtung, die nicht unbedingt nachteilig sein muss.
Ich wünsche mir, dass die Fa. Haenel an die guten Konstruktionen ihrer 180jährigen Firmengeschichte (!) anknüpft, eben ein Traditionsunternehmen welches auch einen verpflichtend guten Ruf hat.
Autor: Oberstleutnant Dipl. Ing. Thomas Enke ist Berater für den Inspekteur des Heeres im Aufgabenbereich der munitionstechnischen und schießtechnischen Sicherheit. Seit 1982 ist er ausnahmslos in der Munitionstechnik auf wechselnden Dienstposten tätig und hat im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung als Führer einer multinationalen Einsatzleitstelle an 7 Einsätzen in verschiedenen Einsatzländern, unter anderem Kosovo und Afghanistan, teilgenommen.