Gesetzentwurf: Abbiegeassistenten als Voraussetzung für Einfahrt in Ortschaften

Das Bündnis 90/Die Grünen legte einen Gesetzentwurf zur „Einführung und Regelung von Verkehrssicherheitszonen“ vor. LKW ohne Abbiegesicherheitssystem soll das Befahren geschlossener Ortschaften grundsätzlich verboten sein.

Mit der Verordnung VO (EU) 2019/2144 (ABlEU Nr. L 325 v. 16.12.2019, S. 1) wird für LKW und Busse im Rahmen der Harmonisierung der Typengenehmigung von Kfz die Installation von Abbiegeassistenten für neue Fahrzeugtypen ab 6. Juli 2022 und neue Fahrzeuge ab 7.Juli 2024 verpflichtend.

Das Bündnis 90/ die Grünen legte jedoch einen Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zur Einführung und Regelung von Verkehrssicherheitszonen vom 23.10.2020 (Drs. 19/23625) vor. Erklärtes Ziel war es, die Verpflichtung zur Installation von Abbiegeassistenten schnellstmöglich national durchzusetzen.

Im Rahmen der Diskussion im Verkehrsausschuss vom 3. März 2021 wurde aber heftige Kritik verschiedenster Fachleute geäußert.

Geplanter Gesetzesinhalt

Im Kern will das Gesetz sog. „Verkehrssicherheitszonen“ (geschlossene Ortschaften) definieren, in denen LKW nur dann verkehren dürfen, wenn sie dem Stand der Technik entsprechend mit Funktionen zur Sicherung des verkehrlichen Umfelds ausgestattet sind. Insbesondere ein Abbiegeassistent soll eine derartig erforderliche Funktion sein.

Dies soll bereits ab 1. Juli 2021 für LKW über 7,5 t bzw. dann für alle LKW ab 1. Juli 2022 gelten. In einer Übergangsphase bis 2025 sollen LKW ohne entsprechende Ausrüstung mit Abbiegeassistenten nur dann in einer Verkehrssicherheitszone fahren dürfen, wenn ein Beifahrer den Abbiegevorgang kontrolliert.

Kollision mit EU-Recht

  • Der Stellungnahme von Prof. Dr. Michael Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena nach, ist die Sicherheit im Straßenverkehr Angelegenheit auf europäischer Ebene und fällt in deren Kompetenzbereich (Art. 91 Abs. 1 lit. c) AEUV).
  • Zudem existiere bereits eine Verordnung (s. o.) bezüglich der Typengenehmigung von Kfz, wonach die technischen Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und Umwelt harmonisiert werden sollen. Eine (mittelbare) nationale Pflicht für Abbiegeassistenten für LKW, die innerorts fahren möchten, würde das gesamteuropäisch vereinheitlichte System der Typengenehmigung unterlaufen.
  • Dem stimmt auch der Deutsche Städtetag in seiner Stellungnahme überein. Die Verpflichtung erscheine im Hinblick auf die bereits bestehenden, europarechtlichen Fristen bei der Fahrzeugzulassung (s. o.: Juli 22/ Juli 24) zu verfrüht.

Kollision mit nationalen Gegebenheiten

  • Der Deutsche Städtetag prangert in seiner Stellungnahme zudem auch an, dass die Kompetenzen der Städte und Kommunen nicht berücksichtigt wurden, wenn die Verkehrssicherheitszonen pauschal festgelegt werden und so die kommuneninternen verkehrssicherheitsrechtlichen Regelungen nicht mehr ausreichend gewürdigt werden.
  • Die Festsetzung einer Pflicht für Abbiegeassistenten käme für die Mehrzahl der LKW einem faktischen Fahrverbot gleich. Dies betont der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V.. /Darüber hinaus müssten in vielen Fällen folglich die LKW- Fahrerinnen und Fahrer auf Ortsumgehungsstraßen ausweichen, welche aber flächendeckend schlicht nicht vorhanden sind.
  • Werden die Verkehrssicherheitszonen nur unter der Voraussetzung, dass ein Abbiegeassistent vorhanden ist, für LKW befahrbar, so widerspreche dies der straßenverkehrsrechtlichen Widmung zum Gemeingebrauch, so Prof. Dr. Michael Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena in seiner Stellungnahme. Denn der Gemeingebrauch schließe alle Verkehrsteilnehmer, also auch LKW, mit ein und könne nur fallbezogen, nie aber pauschal eingeschränkt werden.
  • Weiter widerspreche nach dem BGL die vorgesehene jährliche Überprüfung des „aktuellen Stands der Technik“ durch das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur dem Zulassungsrecht. Denn erforderlich für die Zulassung können nur konkrete festgeschriebene Merkmale sein, nicht jedoch untergesetzliche ständig wechselnde Bestimmungen.
  • Zuletzt sei diese kurzfristige Aufrüstung allein schon ein finanzielles Problem und in der Festlegung der kurzen Übergangsfrist unverhältnismäßig. Dies merkt Prof. Dr. Michael Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena in seiner Stellungnahme an.

 

Quelle: Gesetzentwurf, Drucksache 19/23625