Deutschland muss afghanische Ortskraft aufnehmen

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat im Eilverfahren entschieden, dass eine in Afghanistan für Deutschland tätige Ortskraft samt deren Kernfamilie einen Anspruch auf Visa zur Aufnahme in Deutschland haben.

Ablehnung des Antrags durch das Auswärtige Amt

Grundlage des Falles ist ein Ehepaar und deren drei Kinder. Alle fünf sind afghanische Staatsangehörige, die sich in Kabul aufhalten. Einer der Antragsteller war bis September 2017 für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Afghanistan tätig. Da sich die Antragsteller deshalb bedroht sehen, wandten sie sich Anfang August 2021 an das Auswärtige Amt mit dem Ziel der Ausreise. Der Erlass einer entsprechenden Aufnahmeentscheidung wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Tätigkeit bereits seit 2017 beendet sei.

Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht

Die Antragsteller suchten um Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht. Weil er wegen der Zusammenarbeit mit der GIZ von den Taliban noch immer gesucht werde und im Jahr 2016 bereits schon einmal angeschossen würde, bestünde weiterhin stetige Gefahr. Wegen der von der Taliban praktizierten Sippenhaft sei zudem auch die Kernfamilie bedroht. Die Ablehnung des Anspruchs wurde damit begründet, dass ein Anspruch auf eine Aufnahme nicht bestehe. Dem Erlass einer Aufnahmeentscheidung liege ein Ermessen zu Grunde.

Ermessen auf Null reduziert

Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag stattgegeben. Neben einem Anordnungsgrund, der sich schon aus der Machtübernehme der Taliban und der hieraus erwachsenden Gefahr für die Ortskräfte ergebe, sei auch der Anordnungsanspruch auf Aufnahme mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Das durch § 22 AufenthG grundsätzlich eröffnete Ermessen sei hier infolge der Selbstbindung der Verwaltung auf Null reduziert. Die Aufnahmekriterien des Auswärtigen Amtes für Ortskräfte seien dahingehenden geändert worden, dass ehemalige Ortskräfte und deren Familien auch dann Aufnahme beanspruchen könnten, wenn ihre Tätigkeit zumindest bis 2013 angedauert habe.

Quelle: Auswärtiges Amt zur Erteilung von Visa für eine afghanische Ortskraft und dessen Familie verpflichtet (Nr. 47/2021) - Berlin.de 

Hintergrundinformationen Ortskraft:

Eine Ortskraft ist eine Person, die zum Beispiel bei der Bundeswehr im Auslandseinsatz oder bei deutschen Auslandsvertretungen im Heimatstaat der jeweiligen Person angestellt ist. Dazu zählen zum Beispiel Menschen, die als Übersetzerinnen und Übersetzer tätig sind oder die den Fahrdienst übernehmen.

Aufnahme aus dem Ausland (§ 22 AufenthG):

Gemäß § 22 Satz 1 AufenthG kann für Ausländer, die sich im Ausland aufhalten, eine Aufenthaltserlaubnis (nationales Visum nach § 6 Abs. 3 AufenthG vor der Einreise) nur aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen im Ermessenswege erteilt werden. Auf die Entscheidung im Visumverfahren über eine Aufnahme im Ausland nach § 22 Satz 1 AufenthG durch die nach § 71 Abs. 1 AufenthG zuständige deutsche Auslandsvertretung besteht kein gesetzlicher Anspruch. § 22 AufenthG findet nur dann Anwendung, wenn sich der Ausländer noch nicht in Deutschland aufhält. Dringende humanitäre Gründe liegen dann vor, wenn sich der Ausländer aufgrund besonderer Umstände in einer auf seine Person bezogenen Sondersituation befindet, sich diese personenbezogene Sondersituation deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet, der Ausländer spezifisch auf die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland angewiesen ist oder eine besondere Beziehung des Ausländers zur Bundesrepublik Deutschland besteht (z. B. einzige enge familiäre Anknüpfungspunkte, Tätigkeit für Deutschland im Heimatland) und die Umstände so gestaltet sind, dass eine baldige Ausreise und Aufnahme unerlässlich sind.