Der Psychologe und Persönlichkeitsforscher Julius Kuhl von der
Universität Osnabrück gilt als führender Vertreter der Selbstkon-
gruenzlehre. Er antwortete auf die Frage, wie ein Mensch merkt,
dass er authentisch handelt: „… dadurch, dass die Vorstellung
einer Handlung ihn innerlich weit macht und nicht eng und dass er
in seiner Körperwahrnehmung entspannter statt angespannter ist.“
Auch die Neurobiologie widmet sich seit einigen Jahren verstärkt
diesem Thema. Einer ihrer führenden Köpfe, António R. Damásio,
geht davon aus, dass Menschen ein emotionales Erfahrungs-
gedächtnis besitzen, das alle Erfahrungen abspeichert, die sie im
Laufe ihres Erwachsenwerdens erlebt haben. Steht eine Entschei-
dung an, liefert uns unser Erfahrungsgedächtnis Hinweise in Form
körperlicher Signale. Damásio nennt dieses Signalsystem somati-
sche Marker. Wenn wir uns verschiedene Alternativen einer Hand-
lung vorstellen, erhalten wir über diese somatischen Marker eine
Rückmeldung, die durch unsere bisherigen Erfahrungen bestimmt
ist. Sie unterstützt uns bei der Entscheidung, indem sie zum Bei-
spiel zunächst alle emotional nicht tragbaren Handlungsmöglich-
keiten ausklammert.
Ist ein Mensch jedoch durch physische oder psychische Verletzun-
gen oder Einschränkungen von der Wahrnehmung dieses Ich-
Aspektes getrennt – das heißt, es fehlt diese Form von Selbstzu-
gang –, so verliert er die Fähigkeit, jene Signale des Unbewussten
zu spüren und zu nutzen. Das kann dazu führen, dass er zum Bei-
spiel nicht mehr in der Lage ist, aus Stress und Angst zu lernen
und eine der Situation angemessene, authentische, selbstkongru-
ente Handlung zu vollziehen.
Genau hier setzt das ABC des Ich an. In diesem Buch beschäftigen
wir uns damit, die unbewussten Signale des Seins wahrzunehmen
und wahrhaftigen, bewussten Zugang zu den eigenen Gefühlen
zu bekommen.
Jeder Mensch produziert am Tag etwa 60.000 Gedanken. Diese
Gedanken kann man nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft
Der Weg zum ABC des Ich
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