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Sowohl die Sozialpädagogischen Diagnosen (Uhlendorff 1997) als auch die Sozialpädagogi-
schen Familiendiagnosen (Uhlendorff/Cinkl/Mathaler 2006 und Cinkl/Krause 2011) beruhen
auf leitfadengestützten Interviews, mit deren Hilfe die Lebenswelt der Kinder und Jugendli-
chen und der erwachsenen Familienmitglieder eruiert werden. Die Fragen für die Kinder und
Jugendlichen beziehen sich auf die Dimensionen
Familie und Verwandtschaft, außerfamiliäre
Erfahrungen und Gleichaltrige, Erfahrungen mit Einrichtungen des Bildungssystems, Erfahrun-
gen mit Einrichtungen der Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und an-
deren Hilfeinstitutionen, Körperlichkeit und Interessen, Zeitschemata, Normative Orientierun-
gen, Selbstbild und Selbstentwurf
(Uhlendorff 1997, S. 171ff.). Die Fragen für die erwachsenen
Familienmitglieder erstrecken sich auf die Dimensionen
Biografische Erfahrungen und Famili-
engeschichte, Sozioökonomische Rahmenbedingungen, Erfahrungen mit öffentlichen Instituti-
onen, Einbindung in informelle Unterstützungs- und Helfersysteme, Aktuell relevante sozialpä-
dagogische und therapeutische Belastungen der Familienmitglieder, Familiäre Arbeitsteilung,
Familiäre Zeitstruktur, Kindererziehung, Selbstbilder und Personenentwürfe, Familiäre Interak-
tionserfahrungen, Fürsorgemuster und Bindungen, Partnerschaftskonzepte
und
Subjektiver
Hilfeplan
(Uhlendorff/Cinkl/Mathaler 2006, S. 224ff.). Die Interviews werden auf Tonträger
aufgenommen und im Team der betreuenden Fachkräfte gemeinsam hörend ausgewertet.
Das gemeinsame Hören des Interviews im Team soll sicherstellen, dass sich die Auswertung
auf das tatsächlich Gesagte konzentriert und fremddeutungsbasierte Hypothesen nach Mög-
lichkeit ausgeschlossen werden. Diagnostiziert werden bei den Kindern und Jugendlichen „Le-
bensthemen“ und bei den erwachsenen Familienmitgliedern „Konfliktthemen“, die im Rück-
meldegespräch als Verstehensangebot präsentiert werden und die dann als Basis für die ge-
meinsame Erarbeitung von Handlungsideen dienen. Im Rahmen der Hilfeplanung werden die
Themen und die Handlungsideen dann von den Betroffenen selber mit Hilfe von Flip-Charts
präsentiert
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. Die Sozialpädagogischen Diagnosen und die Sozialpädagogischen Familiendiag-
nosen unterscheiden sich grundlegend von gängigen psychodiagnostischen Verfahren, wie sie
auch im Rahmen der Begutachtung im Kontext der geschlossenen Unterbringung üblich sind:
Die Interviewleitfäden erfassen die gesamte Lebenswelt der Familienmitglieder und
konzentrieren sich nicht auf einzelne (in der Regel innerpsychische) Faktoren.
Mit der Tonaufnahme der Interviews wird sichergestellt, dass die Originalaussagen er-
halten bleiben und im weiteren Prozess der Sprachstil der Interviewpartner berück-
sichtigt bleibt.
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In Bezug auf die Selbstpräsentation mit Flip-Charts hat sich im Rahmen der Evaluation der Sozialpädagogi-
schen Familiendiagnose gezeigt, dass sich die Familien aktiv beteiligen: beispielsweise lag der Redeanteil
der Familien bei 2/3 der Gesamtdauer der Hilfeplangespräche (Cinkl/Krause 2011, S. 121).