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1.

Einleitung

Geschlossene Unterbringungen (GU) von Kindern und Jugendlichen und die dortigen „Erzie-

hungsmethoden“ sind Menschenrechtsverletzungen (vgl. bspw. Häbel 2013). GU wir oft als

letzte pädagogische „Lösung“ im Umgang mit sogenannten „schwierigen“ Kindern und Ju-

gendlichen gesehen, ist oft aber auch ein verzweifelter Akt der Überforderung der Fachkräfte,

diese „schwierige“ Jugendliche los zu werden. Dies verletzt nicht nur die Grund- und Men-

schenrechte der Kinder und Jugendlichen (ebd.), sondern hält auch an einer repressiven und

rigiden pädagogischen Grundhaltung fest bzw. stabilisiert diese: „schwierige“ Jugendliche

müssen gebrochen und unterworfen werden (IGfH, 2013, 29 und 35ff.). Geschlossene Einrich-

tungen werden seit vielen Jahrzenten als anerkannte Unterbringung für Kinder und Jugendli-

che gesehen, obwohl viele Einrichtungen aufgrund von schweren Menschenrechtsverletzun-

gen geschlossen wurden. Es lässt sich ebenfalls beobachten, dass diese Einrichtungen seit ei-

niger Zeit wieder größeres Interesse erleben und repressive Einrichtungskonzepte mit Spezi-

algruppen, Verstärker- und/oder Stufenmodellen so wieder in der fach-politischen Landschaft

als „gute“ pädagogische Praxis legitimiert werden. Diese Tendenz muss aber entschieden zu-

rückgewiesen und freiheitsentziehende Maßnahmen aus dem pädagogischen Repertoire ge-

strichen werden (IGfH 2013, 66ff.).

Die vorliegende Einzelfallstudie analysiert den Hilfeverlauf eines Jugendlichen, der in einer ge-

schlossenen Einrichtung untergebracht werden sollte. Dies konnte jedoch durch Betroffenen-

beteiligung durch die Sozialpädagogischen Diagnose und Sozialpädagogischen Familiendiag-

nose (Uhlendorff/Cinkl/Mathaler 2006 und Cinkl/Krause 2011) verhindert werden. Dieser Ju-

gendliche und seine Mutter kommen in der Einzelfallstudie ausführlich zuWort, ihre Aussagen

bilden den Kern der Darstellung und der Analyse.

Mit der Betonung der Betroffenensicht ist das Ziel verbunden, der Notwendigkeit, Alternati-

ven zu geschlossener Unterbringung und Zwang in den Hilfen zur Erziehung in das Zentrum

der fachlichen und ethischen Diskussion zu rücken, mehr Gewicht zu verleihen. Wie sich in der

Diskussion um Fehler im Kinderschutz („Kevin“, „Lea-Sophie“ etc.) oder im Zusammenhang

mit den Menschenrechtsverletzungen in den Einrichtungen der Haasenburg gGmbH („Julia“)

gezeigt hat, können markante Einzelschicksale fachliche und fachpolitische Entwicklungen

entscheidend beeinflussen.

Einerseits können nur die Kinder, Jugendlichen und Familien die einzigartige Besonderheit ih-

rer Lebenssituation sprachlich zum Ausdruck bringen, andererseits brauchen sie dazu aber

auch Fachkräfte, die sie dazu befähigen und ihnen Gehör schenken. Die Betroffenen zu betei-

ligen stellt eine fachliche Herausforderung dar, für deren Bewältigung fachliche und morali-

sche Haltungen nicht ausreichen, sondern methodische Kompetenz vorhanden sein muss –

Handwerk geht vor Haltung. Die besondere Lebenssituation von Menschen zu verstehen, ist