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Die Auswertung im Team schützt vor die Sichtweisen der Betroffenen enteignenden
Fremddeutungen und fördert eine Konzentration auf die Selbstdeutungen.
Die diagnostizierten Lebens- und „Konfliktthemen werden im Sprachstil der Betroffe-
nen formuliert und werden daher besser als „Eigendiagnosen“ akzeptiert; außerdem
werden sie als Verstehensangebot präsentiert und ggf. modifiziert.
Die Handlungsideen werden im Rückmeldegespräch gemeinsam erarbeitet, wobei die
Belastungen, die Ressourcen und die subjektiven Hilfepläne berücksichtigt werden.
Die Präsentation der Ergebnisse der Teamauswertung in Form von Flip-Charts (Trans-
parente) und das weitere Nutzen der Transparente beispielsweise im Hilfeplange-
spräch schafft Transparenz.
Wie die Evaluation der Sozialpädagogischen Familiendiagnosen
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gezeigt hat, kann der diag-
nostische Prozess als mehrstufiger Dialog dazu führen, dass sich die Familienmitglieder ver-
standen fühlen, die Handlungsvorschläge als sinnvoll erachten und ein Arbeitsbündnis mit den
Professionellen entsteht. Die verschiedenen einzelnen Wirkungen auf die Familien zusam-
menfassend wurde als „Wirkungsstrukturhypothese“ formuliert, dass die „Sozialpädagogische
Familiendiagnose zur Wiedergewinnung personaler Handlungsfähigkeit gegenüber dem Hel-
fersystem“ führt (Cinkl/Krause 2011, S. 147). Dies ist insofern besonders relevant, weil die
Familien im Zusammenhang mit der geschlossenen Unterbringung den Institutionen und ihren
Expertenurteilen ausgeliefert sind und ihnen attestiert wird, ihre Handlungsfähigkeit verloren
zu haben. Die „Wirkungsstrukturhypothese“ für Fachkräfte beinhaltet einerseits den Nutzen
der Sozialpädagogischen Familiendiagnosen für eine intensive Elternarbeit und andererseits
ihren Beitrag zur „Herausforderung institutioneller Konflikte und Logiken“ und als „Gegengift
zur professionellen Selbstgenügsamkeit“ (Cinkl/Krause 2011, S. 148). Die „professionelle
Selbstgenügsamkeit“ äußert sich beispielsweise darin, das Scheitern von Hilfen nicht auf pro-
fessionelles Fehlverhalten hin zu befragen, während „institutionelle Konflikte und Logi-
ken“ dazu führen können, dass die Eigenbedürfnisse der Institutionen im Vordergrund stehen.
Die Studie soll daher zeigen, dass eine konsequente und methodengeleitete Orientierung an
den Selbstdeutungen der Betroffenen die Hilfeplanung so qualifizieren kann, dass eine repres-
sive Intervention – oft durch Überforderung der Fachkraft induziert – vermieden werden kann.
Weiterhin will die Einzelfallstudie einen Beitrag zur Erziehung in Freiheit leisten und somit ge-
gen die steigende Legitimation repressiver pädagogischer Praxen intervenieren.
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Für die Sozialpädagogischen Diagnosen für Kinder und Jugendliche fehlt noch eine systematische Evalua-
tion.