Vorwort
Provozieren Sie gerne Ihre Mitmenschen? Ich provoziere für mein Leben gern. Ich
ärgere mein Umfeld mit liebevoller Ironie, stelle Kollegen und Seminarteilnehmern
herausfordernde Fragen und arbeite mit Witzen, die nicht jedermanns Sache sind.
Kennen Sie zum Beispiel den:
Fünf Personen stehen um den Chef. Vier davon lachen. Die fünfte wird gefragt:
„Warum lachst du nicht?“ Darauf der Gefragte: „Ich muss nicht mehr. Ich habe ge-
kündigt.“
In den letzten zehn Jahren als Trainer, Berater, Coach und Mediator lernte ich je-
doch, nicht um jeden Preis provozieren zu müssen und mein zündelndes Gemüt
durch Versuch und Irrtum zu verfeinern. Die verbale Herausforderung meines Um-
felds muss ein Ziel haben, um sinnvoll zu sein. Ansonsten verkommt sie zum selbst-
herrlichen Schenkelklopfen. Der erwähnte Führungswitz funktioniert erst nach einer
halben Stunde Beziehungsaufbau. Sind Provokationen nicht in Wohlwollen und
Wertschätzung eingebettet, wirken sie verletzend. Der sprichwörtliche Stoß vor den
Kopf sollte keine Leistung von Gottes Gnaden sein, sondern eine mutige Einladung
zu mehr Ehrlichkeit und Offenheit im gegenseitigen Austausch.
Doch ohne Provokationen erscheint mir die Welt nicht nur langweilig, es geht
auch nichts voran. Wir treten auf der Stelle, wenn wir uns in harmonischen Nichtan-
griffspakten einbalsamieren. Und ist es nicht der Gipfel bemutternder Respektlosig-
keit, einem Menschen wider besseres Wissen ein ehrliches Feedback zu verwehren?
Wir sollten öfter darauf vertrauen, dass Mitarbeiter fähig sind, eine gut platzierte
und treffend formulierte Rückmeldung zu verarbeiten.
Mehr noch: Die immerwährende Pseudo-Wohlfühlatmosphäre in manchen Bü-
ros endet nicht selten in Respektlosigkeit, Gerüchten und Intrigen. Wie in den Stell-
vertreterkriegen Afghanistans zur Zeit des Kalten Krieges geht es plötzlich nicht
mehr um das Ausdiskutieren unterschiedlicher Meinungen, sondern darum, wer
seine Bestellungen schneller bekommt, den besseren Parkplatz hat oder mehr Lob
vom Chef einheimst. Verständlich, doch leider verlorene Energie.
Eine freche Frage an der richtigen Stelle führt hingegen zu mehr Dynamik, Klar-
heit und im besten Fall zu einem reinigenden Gewitter. Provokationen zwingen Mit-
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