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nur der Schreibtischtäter, sondern der ganze, emotionale Mensch gefordert ist. Er

muss seine Bedürfnisse nicht hinter Konventionen verstecken. Dabei darf er in Aus-

nahmefällen auch laut sein. Er muss sogar, um von anderen respektiert zu werden.

Wie aggressiv wir trotz christianisierter Zivilisierung sind, wird ein ewiges Streit-

thema bleiben. Ob es jedoch Zufall ist, dass auf das christliche Verbot von Kampf-

sportarten Hexenverbrennungen und Kreuzzüge folgten? Ist Frieden ohne Kriege

denkbar? Eine Kooperation ohne Auseinandersetzung? Was wäre die Hölle, wenn de-

ren Insassen nicht vom Himmel träumen könnten? Das gesamte Leben scheint aus

einemWechselspiel zwischen egoistischem und kooperativem Miteinander zu beste-

hen. Die Wissenschaft spiegelt diesen Kampf mit ihren Mitteln wieder: Der Evoluti-

onsbiologe Richard Dawkins ruft das „Egoistische Gen“ aus, der Arzt und Psychiater

Joachim Bauer spricht vom „Prinzip Menschlichkeit“. Was denn nun? Beides natür-

lich! Ohne Schwarz kein Weiß. Ohne Krieg kein Frieden. Schon begrifflich wüssten

wir nicht, wovon wir sprechen sollten. Die Weltgesundheitsorganisation sagt: Ge-

sundheit ist die Abwesenheit von Krankheit. Aha! Es muss beides geben, um dem je-

weils anderen eine Existenzberechtigung zu verleihen: Provokation und Verständnis.

Mitarbeitergespräche lassen sich folgerichtig als Balanceakt zwischen Kampf und

Kooperation darstellen. Ein kurzer Ausflug in deutsche Sprachbilder verdeutlicht,

wieviel Kampf in Mitarbeitergesprächen steckt: Sie ringen um gemeinsame Ziele. Die

gegenseitigen Erwartungen reiben sich aneinander. Die Vorstellungen von einem

funktionierenden Team beißen sich. Bereits das Ansprechen dieser Sprachbilder als

Provokation könnte ein Mitarbeitergespräch inhaltlich voran bringen.

Provokationen und Kämpfe entstehen aus dem Wollen der Gegner. Wer jedoch

nichts mehr will, ist tot, selbst wenn seine Hülle noch durch die Gänge wandelt. Was

uns gesamtgesellschaftlich fehlt, ist eine offene und faire Streitkultur ohne Tricks,

Manipulationen und polternde Hasskommentare. Wir sollten viel öfter mit unseren

Kindern streiten, mit unseren Partnern, Lehrern, Dozenten und Mitarbeitern, anstatt

uns hinter hierarchischen Masken zu verstecken.

VORWORT

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