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arbeiter, Farbe zu bekennen, indem Sie die Mauselöcher verbarrikadieren. Die wah-

ren Leckereien gibt es ohnehin nicht hinter tapezierten Wänden. An dieser Stelle en-

det die Provokation und beginnt die Eroberung und faire Verteilung des Käses in der

Küche.

Wo jedoch bleibt bei all dem die Empathie- und Bedürfnisorientierung, die wir

über die Jahre in unzähligen Kommunikationstrainings eingetrichtert bekamen?

Und führen Provokationen nicht unweigerlich zu giftigen Kämpfen?

Wo ich herkomme, aus dem sozialen Bereich, wird nicht provoziert. Aggressionen

zwischen dem Personal gibt es nicht. Und der Begriff des Kampfes ist sowieso tabu.

Was nicht heißt, dass nicht gekämpft wird. Möglicherweise subtiler, feiner und indi-

rekter als woanders.

Dabei bedeuten Provokationen im Ursinn, etwas aus dem anderen herauszukit-

zeln, etwas zutage zu fördern, vielleicht eine höhere Leistung oder eine deutlichere

Klarheit. Und ist nicht dieses „aus der Reserve locken“ Grundaufgabe jeder Führung?

Ist es nicht Aufgabe einer Führungskraft, zu provozieren und damit das Beste der

Mitarbeiter zu fördern, bis hin zur Persönlichkeitsentwicklung, vielleicht sogar mit

kämpferischen Maßnahmen? Werden damit nicht automatisch auch Bedürfnisse be-

friedigt?

Der soziale Bereich bildet lediglich die Spitze der offiziellen Kampfverweigerung.

In Verwaltungen, im Dienstleistungssektor und grundsätzlich in frauendominierten

Berufszweigen herrschen meist ähnliche Verhältnisse vor. Dennoch wird gekämpft

für die gute Sache, den richtigenWeg, den Fortschritt, menschliche Werte oder die ei-

gene Sichtweise. Provozieren und kämpfen muss nichts Schlechtes sein. Prinzipien

zu verteidigen, für sein Team einzustehen oder sein Lieblingsprodukt gegen Wider-

stände durchzuboxen. Warum also das Kind nicht beim Namen nennen?

Kämpfe ziehen uns seit Urzeiten in einen magischen Bann. Was fasziniert uns in

unserer (durch-) zivilisierten Welt am archaischen Prinzip des Kämpfens? Warum

provozieren und ärgern wir so gerne andere Menschen? Ist nicht auch das Kämpfen

ein Ur-Bedürfnis? Ist es das Prinzip „Mensch gegen Mensch“ oder „Auge in Auge“?

Oder die Vorstellung eines echten, organischen Gegners, anstatt einer Technik, die

wir nicht verstehen? Vielleicht ist es der Zwang, zu reagieren, seine Komfortzone zu

verlassen und aktiv Position zu beziehen, anstatt sich selbst in einem Mauseloch zu

verkriechen und darauf zu hoffen, dass die Gefahr bald vorüberzieht. Vielleicht ist es

die Endlichkeit – schließlich könnte jede Auseinandersetzung, jeder Wettkampf, je-

der Sport und jedes Spiel mit psychischen oder physischen Verletzungen bis hin zum

Tod enden. Vielleicht ist es der Mut zur eigenen Weiterentwicklung: Wenn ich mich

mit einer Provokation aus dem Fenster lehne, muss ich auch dazu stehen. Wer

springt, sollte fliegen lernen. Vielleicht ist es die Tatsache, dass im Wettbewerb nicht

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