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gen“ verstanden. Damit wird die Vorstellung geweckt, man könne, wenn man

es nur richtig anstelle, Menschen so weit bringen, genau das zu tun, was man

von ihnen will, vergleichbar mit der Kunst eines Schlangenbeschwörers.

Diese Meinung vertraten im antiken Griechenland die Sophisten. Sie be-

haupteten, dass es sogar möglich sei, zu einem Sachverhalt (wie etwa „Soll

man an einem bestimmten Ort einen neuen Tempel für Athene bauen oder

nicht?“) zwei argumentativ gleichermaßen überzeugende Reden zu halten.

Das führten sie auch einer staunenden Menge auf demMarktplatz von Athen

vor. Darüber hinaus waren sie der Meinung, man benötige keine Fachkennt-

nisse, um zu überzeugen, da man genauso gut mit Wahrscheinlichkeit und

Plausibilität überzeugen könne. Der bekannte Redner und Sophist Gorgias

(der dem von Platon niedergeschriebenen Dialog seinen Namen gab) be-

hauptete, derjenige, der die Rhetorik beherrsche, könne besser überzeugen

als ein Arzt mit seinen Fachkenntnissen. Sein Gegner Sokrates wollte in die-

sem Dialog beweisen, dass die sophistische Rhe-torik ein übles Manipulati-

onsinstrument ist.

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Wie schaffte er das? Durch penetrantes Fragen. Denkt

man an die heutigen Populisten aller Parteien, die mit Fake News, alternati-

ven Fakten und üblen Beschimpfungen ihre Ziele erreichen wollen, wären

auch hier bohrende Fragen ein probates Mittel, sie zu entlarven.

Aristoteles vertrat eine gegenteilige Meinung. Er erkannte, dass man nie-

manden überzeugen kann, sondern jeder Mensch sich selbst überzeugt. Das

wird, wie eingangs geschildert, gegenwärtig von der Hirnforschung bestätigt.

Als Beweis führt er an, dass auch kein Arzt in der Lage ist, einen Menschen zu

heilen.

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Er kann aber die richtige Behandlung und die richtigen Medika-

mente verschreiben, um in einem Menschen den Heilungsprozess auszulö-

sen. Denn gesund werden muss letztlich jeder selbst. Deshalb gibt es auch

Spontanheilungen, die sich wissenschaftlich nicht erklären lassen.

Große Irritation löste vor etlichen Jahren das Buch „Mythos Motivation“

von Reinhard K. Sprenger aus. Bis dahin glaubten Führungskräfte und an-

dere, dass man neben der extrinsischen Motivation, also zum Beispiel auf-

grund eines höheren Gehalts, mittels Prämien oder Statussymbolen, auch die

Kann man andere überhaupt überzeugen?

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Hierzu muss man noch wissen, dass es im Altgriechischen für die beiden Begriffe „überzeugen“

und „überreden“ nur ein Wort gab, nämlich „peithein“ (

πεíθειν

).

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Vgl. Aristoteles, Rhet. 1355b