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„Obwohl der Mensch seit langem das Maß aller Dinge ist,
ist er dennoch eine zerbrechliche Kreatur mit Ängsten,
Zweifeln und Schwächen, zuweilen aber auch von großem
Mut und Stärke. Die Führer auf allen Ebenen müssen
daher die tatsächlichen Grenzen der menschlichen Be-
lastbarkeit kennen, haushälterisch mit den menschlichen
Ressourcen umgehen und ihre Energien auf deren lang-
fristige Erhaltung konzentrieren.“
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PTBS verstehen
Seit Jahren beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Einsatzkräfte aus
militärischem und zivilem Umfeld, die vielschichtigen traumatischen
Situationen ausgesetzt sind, die erlebten schrecklichen Bilder und
Belastungen verarbeiten. Welche Rahmenbedingungen müssen ge-
schaffen werden, damit den Betroffenen angemessene Hilfe zu-
kommt?
Während bei uns zunächst das Literaturstudium im Vordergrund
stand, haben wir inzwischen vielfältige Erfahrungen gewonnen. Zum
einen durch unsere berufliche Tätigkeit als Fachärztin für Psychoso-
matische Medizin und Psychotherapie, klinische Verhaltenstherapeu-
tin sowie Chefärztin einer psychosomatischen Klinik bzw. als Gene-
ralstabsoffizier der Bundeswehr mit eigener Einsatzerfahrung. Zum
anderen durch unsere Dissertationen, die sich jeweils mit dem The-
menbereich PTBS bei militärischen Einsatzkräften befasst haben.
Mit Freude haben wir gesehen, dass das Thema PTBS inzwischen in
das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt und in den letzten Jahren
einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Dennoch fin-
det diese Krankheit in vielen Bereichen kaum Akzeptanz.
Nicht bei allen von traumatischen Erlebnissen Betroffenen bildet sich
eine vollständige PTBS gemäß den offiziellen Klassifizierungssyste-
men der Krankheiten aus. PTBS stellt nur die Spitze des Eisberges dar.
Neben PTBS dürfen auch die weiteren möglichen Folgen nach Ext-
rembelastungen (z. B. Depression, Burnout, Angststörungen, Panik-
attacken oder Suchterkrankungen) nicht außer Acht gelassen wer-
den. Die Anzahl dieser Erkrankten übersteigt bei Weitem die PTBS-
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Hartmann, K.: Gefechtsstreß: Können wir ihn weiterhin ignorieren? Defence Force
Journal, 1989, 77, S. 44–54