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„Schreibkram“ siedelt auf der Unbeliebtheitsskala von PraktikerInnen der

sozialen Arbeit jedenfalls weit oben.

Auch die KlientInnen sozialer Arbeit können mit den schriftlichen Ma-

terialien zum eigenen „Fall“ meist wenig anfangen. Als „ein Haufen Unter-

lagen“ habe die Mutter die Hilfeplanprotokolle wahrgenommen (siehe

Neuberger i. d. B.). Immerhin kann die Mutter im berichteten Fall die doku-

mentierende Arbeit des ASD-Mitarbeiters schätzen, er habe so gut formu-

liert, dass die geplante Hilfe auch genehmigt worden sei.

Dass die sozialarbeiterische Tätigkeit des Dokumentierens ein Aschen-

putteldasein fristet, hat zumindest drei „gute“ Gründe (vgl. hierzu auch

Moch i. d. B.):

x

Dokumentationen haben häufig wenig Bezug zum pädagogischen

Alltag, sind nur kleine Ausschnitte aus der komplexen Realität, zumal

sie häufig zur nachträglichen Legitimation pädagogischer Entschei-

dungen oder Prozesse dienen, also strategisch aufgeladen sind.

x

Dokumentationen haben häufig die Tendenz, sich als Teil einer Akte zu

verselbständigen. Am beklemmendsten hat dies Niemeyer (1993; 1996)

in seinen Aktenanalysen herausgearbeitet: Im Fall Robert entfaltet eine

(fachlich problematische) frühe Diagnose einer Kinder- und Jugend-

psychiaterin in späteren Berichten – in einer Mischung aus Wandersage

und „stiller Post“ – ein problematisches Eigenleben. Zurecht erinnert

auch Merchel in diesem Band an die zwar alte aber nicht überholte

kritische Debatte um die etikettierenden Wirkungen von Akten in der

Sozialarbeit.

x

Die Ergebnisse von Dokumentationen wirken viel zu selten auf das

tatsächliche Handeln zurück, weil Dokumentationen häufig entweder

rückwärtsgewandt sind oder erstrebenswerte pädagogische Ziele zu

allgemein-abstrakt fassen. „Peter muss lernen, selbständiger zu werden“

ist ja leider kein Kalauer, sondern Beispiel einer verbreiteten Praxis.

Das Dokumentieren ist aber nicht nur unbeliebt, es ist auch in erkenntnis-

theoretischer Hinsicht ein widersprüchliches, spannungsreiches Geschäft.

Denn einerseits soll die Dokumentation eines Sachverhaltes helfen, diesen

zu verstehen. Und andererseits benötigt man ein Vor-Verständnis über einen