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Synopse
§ 2 SGB IX
mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der
Gesellschaft hindern können. Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als sechs Monate andauert.“
Artikel 1 Satz 2 der UN-BRK lautet:
„Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische,
geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiede-
nen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft
hindern können.“
Zur Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung siehe unter Ziffer 4.
Mit der Neudefinition kommt vielmehr zum Ausdruck, dass sich die Behinderung erst durch gestörte
oder nicht entwickelte Interaktion zwischen dem Individuum und seiner materiellen und sozialen
Umwelt manifestiert. Die Regelung korrespondiert dabei mit dem angestrebten novellierten Be-
hinderungsbegriff im Behinderungsgleichstellungsgesetz und gründet sich in ihrem Verständnis
wesentlich auf das bio-psychosoziale Modell der Weltgesundheitsorganisation (englisch World
Health Organization, WHO) das der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinde-
rung und Gesundheit (ICF) zugrundliegt.
Der Behinderungsbegriff hat eine klärende und maßstabsbildende Funktion für die Rehabilitations-
träger. Die persönlichen Leistungsvoraussetzungen richten sich unverändert nach den geltenden
Leistungsgesetzen.
2. Gesetzesbegründung zu § 2 (Drs. 18/9522, S. 227)
Absatz 1 Satz 1
definiert den Begriff der Behinderung für das SGB IX neu. Ob bei Vorliegen einer
Behinderung auch die für den Rehabilitationsträger jeweils geltenden Leistungsvoraussetzungen
erfüllt sind, richtet sich gemäß § 7 SGB IX n. F. unverändert nach den für den Rehabilitationsträger
geltenden Leistungsgesetzen.
Die Neufassung des Behinderungsbegriffs entspricht dem Verständnis der UN-BRK. Menschen mit
Behinderungen haben langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen,
die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberech-
tigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Nach dem Wechselwirkungsansatz manifes-
tiert sich die Behinderung erst durch gestörte oder nicht entwickelte Interaktion zwischen dem
Individuum und seiner materiellen und sozialen Umwelt. Dabei stoßen Menschen mit Behinderun-
gen nicht nur auf bauliche und technische Barrieren sondern auch auf kommunikative Barrieren
und andere Vorurteile. Zu den einstellungsbedingten Barrieren gehören vor allem Vorurteile oder
Ängste, die Menschen mit Behinderungen beeinträchtigen. Zu den umweltbedingten Barrieren
gehören vor allem bauliche Barrieren wie ein barrierefreier Zugang zum öffentlichen Personen-
nahverkehr und zu öffentlichen und privaten Gebäuden. Z. B. werden Menschen mit Lernschwierig-
keiten wegen des mangelnden Gebrauchs leichter Sprache im Alltag an der Teilhabe am Leben in
der Gemeinschaft gehindert.
Die UN-BRK stützt ihr Verständnis von Behinderung wesentlich auf die ICF der WHO. Die ICF defi-
niert in ihrem bio-psycho-sozialen Modell Behinderung ebenfalls als Ergebnis der Wechselwirkung
zwischen Gesundheitsproblem und den personen- und umweltbezogenen Kontextfaktoren. Der