Überwinde deinen inneren Preußen

Charlotte Steinhilber ÜBERWINDE DEINEN INNEREN PREUSSEN Der Weg von Busyness hin zu echter Produktivität und mehr Sinn im Job

Bye Bye Busyness! Was wir überwinden müssen, um zukunftsfähig zu arbeiten Die Hustle-Kultur prägt unsere Arbeitswelt – doch viele spüren: So geht es nicht weiter. Charlotte Steinhilber zeigt, wie tief verwurzelte Denkmuster und unser „innerer Preuße“ uns in überholten Arbeitslogiken gefangen halten. Mit wirtschaftspsychologischer Expertise macht sie deutlich: Echter Wandel beginnt im Inneren. Wer Arbeit neu denken will, muss mentale Prägungen hinterfragen – für mehr Lebensqualität, echte Produktivität und zukunftsfähige Organisationen. „Charlotte Steinhilber trifft den Nerv der Zeit: Mit Klarheit und Humor legt sie offen, was uns in der deutschen Arbeitskultur zurückhält – und macht Lust auf ein neues Kapitel, in dem Selbstfürsorge und echte Produktivität Hand in Hand gehen.“ 0LULDP 6WHUQLW]N\ &KLHI 3HRSOH 2ίFHU EHL :HVWZLQJ „Charlotte Steinhilber verbindet Tiefe mit Leichtigkeit: Der innere Preuße wird zur Einladung, alte Glaubenssätze loszulassen und Arbeit neu zu denken.“ 'U 0LFKDHO 7UDXWPDQQ 8QWHUQHKPHU XQG 3RGFDVWHU 2Q WKH :D\ WR 1HZ :RUN =RRPHU PHHWV %RRPHU „Charlotte Steinhilber macht erlebbar, wie Inner Change zu Outer Impact wird: Der innere Preuße prägt unser Denken im Privaten, im Beruf und in der Gesellschaft, und lässt sich Schritt für Schritt verwandeln.“ /LVH %UX\QRRJKH 0DVWHU &HUWLέHG &RDFK XQG *OREDO %RDUG PHPEHU ,&) *OREDO (QWHUSULVH ISBN 978-3-96186-081-4 € 31,95 [D] € 32,90 [A]

INHALT Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 DER FACETTENREICHTUM UNSERER PERSÖNLICHKEIT – WIE UNSERE PERSÖNLICHKEIT ENTSTEHT . . . . . . . . . . . . . . . 19 Das Konzept des inneren Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Aufbau und Prägung der menschlichen Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 29 2 HALLO WELT! MIT DISZIPLIN UND PFLICHTBEWUSSTSEIN IM ALWAYS-ON-MODUS – WARUM WIR EINEN INNEREN PREUSSEN HABEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Ich bin’s, dein innerer Preuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Arbeitsethos des inneren Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Ist der innere Preuße geschlechtsspezifisch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Grüße vom People Pleaser und Insecure Overachiever . . . . . . . . . . . . . . . 73 3 DER INNERE PREUSSE HINTERLÄSST SPUREN – WELCHE NEGATIVEN AUSWIRKUNGEN DER INNERE PREUSSE HAT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Die sechs Auswirkungen des inneren Preußen auf das eigene Leben (Individuum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Der Anpassungsmodus in der Arbeitswelt (Organisation) . . . . . . . . . . . . 95 Der innere Preuße und die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft . . . . . . . . . . 103 Ein neues Produktivitätsverständnis in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Der innere Preuße und seine Auswirkungen auf die Struktur unserer Arbeitswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Altes Denken vs. neues Denken (Gesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 7

4 SELBSTCOACHING IN VIER SCHRITTEN – WIE DU DEINEN INNEREN PREUSSEN ÜBERWINDEN KANNST . . . . . . . . . . . . . . 127 Die Entwicklungsreise des inneren Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Erster Schritt: Den inneren Preußen wertschätzen und sein Motiv erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Zweiter Schritt: Die Vielfalt deines inneren Teams entdecken – der innere Preuße im Zusammenspiel mit anderen Teammitgliedern . . . 135 Dritter Schritt: Den inneren Preußen auf eine Entwicklungsreise mitnehmen und das innere Team zukunftsfähig machen . . . . . . . . . . . . . 144 Vierter Schritt: Vom Verstehen zum Führen – Triggerpunkte erkennen und mit dem inneren Preußen souverän umgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5 NEUE DENK- UND VERHALTENSMUSTER FÜR EIN ERFÜLLTES BERUFS- UND PRIVATLEBEN – WIE DU DAS POTENZIAL DES INNEREN PREUSSEN NUTZT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Produktivität statt Busyness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Self-Leadership vor Leadership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Selbstfürsorge statt Selbstverleugnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Müßiggang statt Hamsterrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Echte Lebensqualität: Die Kraft der inneren Vielfalt nutzen . . . . . . . . . . 167 6 WIE ARBEIT GELINGT – WENN WIR DEN ALTEN INNEREN PREUSSEN HINTER UNS LASSEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Psychologische Sicherheit: Der Schlüssel zu Produktivität und Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Der unterschätzte Hebel von Führungskräfteauswahl und -entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Schlusswort und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Endnoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Die Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 INHALT 8

GELEITWORT Als Führungskraft ist es wichtig, „gut aufgestellt“ zu sein. Im Modell des inneren Teams können wir schauen, wie die innere Aufstellung aussieht – und ob sie in Hinblick auf anstehende Herausforderungen adäquat und stimmig ist. Charlotte Steinhilber hat ein spezielles Teammitglied identifiziert, das in der Aufstellung der allermeisten Führungskräfte eine Hauptrolle spielen dürfte. Sie nennt ihn den „inneren Preußen“. Er dürfte häufig sogar mit der eigenen Person derart verbunden sein, dass er wie eine „graue Eminenz“ wirksam ist – unbewusst, aber sehr mächtig. In diesem Buch lernen wir ihn genauer kennen – mit seinen verdienstvollen Sonnenseiten, aber auch mit seinen Schattenseiten, wenn er allzu dominant und übereifrig wird – und diverse andere Mitglieder nur ungern neben sich duldet. In dem Fall steht eine innere Teamentwicklung an. Wir erfahren und lernen in diesem fundierten und praxisnahen Buch, damit aussichtsreich zu Werke zu gehen. Es lohnt sich! Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun Hamburg, im September 2025 9

EINLEITUNG „Wann wird da eigentlich gearbeitet?“ – ein LinkedIn-Post eines Unternehmers im Januar 2025 geht viral.1 Er teilt den Kalendereintrag einer Mitarbeiterin, die 100 Prozent remote arbeitet und sich drei Stunden für einen Friseurtermin blockt. Für ihn der Beweis: Homeoffice bedeutet Kontrollverlust – und gefährdet die Produktivität. Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. Von Vorwürfen wegen mangelnder Arbeitsmoral über Kritik an seinem Führungsstil bis hin zu Grundsatzdiskussionen über die Generation Z ist alles dabei. Ja, Homeoffice ist ein Privileg. Nicht jeder Beruf erlaubt es. Dass Homeoffice Selbstverantwortung voraussetzt und gewisse Herausforderungen für Führung mit sich bringt – geschenkt. Dass es Regeln und klare Erwartungen braucht – selbstverständlich. Jedoch nicht Homeoffice an sich ist das Risiko, sondern unklare Erwartungen und schlechte Führung. Wer im Büro nichts leistet, tut es auch remote nicht – und wer selbstständig arbeitet, kann das oft von überall. „Ich arbeite jeden Tag hart. Ich stehe früh auf, ich ziehe durch, und ich sorge dafür, dass die Dinge laufen – für unsere Kunden, für unser Team, für das Unternehmen.“ So beschreibt der Unternehmer des LinkedIn-Posts sein eigenes Selbstverständnis von Arbeit. Dahinter steckt ein weit verbreitetes Bild von Produktivi- tät – geprägt von Fleiß, Präsenz und Durchhaltevermögen. Wer sich anstrengt, hat es verdient. Wer flexibel arbeitet, gerät schnell in Verdacht, sich vor Leistung zu drücken. Generell ist ein gesellschaftlicher Diskurs für eine neue Leistungsbereitschaft in Deutschland entbrannt. Die Debatte hat von Produktivitäts-Hacks, Diskussionen zwischen Homeoffice-Gegnern und -Fürsprechern über scheinbare Generationsunterschiede bis zu politischen Diskursen, inwieweit sich Arbeit in unserem Land überhaupt noch lohnt, einiges zu bieten. Doch was in der oben beschriebenen und vielen anderen ähnlich geführten Debatten auffällt: Wir verlieren uns in oberflächlichen Aufregern. Viel zu selten wird die zentrale Frage gestellt: 11

Was bedeutet Produktivität heute wirklich? Statt uns in Debatten über Friseurtermine zu verlieren, sollten wir darüber sprechen, wie wir Arbeit neu denken – und warum unser veraltetes Verständnis von Produktivität nicht nur einzelne Unternehmen, sondern unsere gesamte Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. In der aktuellen Debatte wird viel zu selten in den Fokus genommen, dass Produktivität und wertvolle Arbeitsergebnisse nicht (immer) an der Dauer unseres Arbeitseinsatzes gemessen werden können und dass beschäftigt zu sein noch lange nicht gleichgesetzt werden kann mit effizientem und effektivem Arbeiten. Wie messen wir Wertschöpfung in einer Arbeitswelt, in der Anwesenheit immer weniger über Leistung aussagt? Vor allem bei uns Wissensarbeitenden am Schreibtisch? Wie unterscheiden wir zwischen Beschäftigtsein und echtem Fortschritt? Und warum fällt es uns so schwer, Verantwortung wirklich zu übertragen? Eine gesellschaftliche Debatte ist gut und wichtig. Denn unsere globale Wettbewerbsfähigkeit als Industrienation sinkt. Innovieren bedeutet, den Status quo immer wieder in Frage zu stellen – wie gut können wir das aktuell in etablierten Unternehmen in Deutschland? Während die globale Arbeitsproduktivität, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), sich pro Kopf zwischen 1997 und 2022 weltweit versechsfacht hat, hat das Produktivitätswachstum in Deutschland sich von 1,6 Prozent zwischen 1997 und 2007 auf 0,8 Prozent im Zeitraum 2012 bis 2019 halbiert.2 Einen Grund dafür stellt die enorm gewachsene Bürokratie dar.3 Teilnehmende einer aktuellen ifo-Studie gaben an, 22 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie zu verbringen – das ist bei einem Vollzeitjob ein Tag pro Woche. Dieses Buch ist kein Hoch auf die Freizeit-First-Bewegung. Denn etwas zu leisten, mit der eigenen Arbeit etwas zu bewirken und damit auch finanzielle Unabhängigkeit zu gewinnen, kann zutiefst erfüllend sein. Aber es ist ebenso wenig ein Plädoyer für das Motto: „Nur die Harten kommen in den Garten.“ Es geht nicht um Faulheit oder Härte, sondern wir brauchen stattdessen ein neues Bild von Produktivität. Ein zeitgemäßes Verständnis, das uns Menschen im 21. Jahrhundert abholt – und das auch der wirtschaftlichen und ökologischen Realität Rechnung trägt: Produktivität neu gedacht, menschlicher und nachhaltiger. Um zu einem zeitgemäßen Verständnis von Produktivität zu gelangen, müssen wir uns also zwangsweise mit unserer Arbeitsmentalität auseinandersetzen. Genau hier kommt der „innere Preuße“ ins Spiel. Der innere Preuße ist eine von mir entwickelte Metapher für ein tief verankertes Denkmuster, das unser überholtes Produktivitätsverständnis verkörpert und DisziEINLEITUNG 12

plin, Gehorsam und Selbstverleugnung über alles stellt. Mehr zu diesem Denk- und Verhaltensmuster des inneren Preußen erfährst du in Kapitel 2. Warum also widme ich die erste Hälfte dieses Buches dem sogenannten inneren Preußen und seinen Spuren – obwohl er in seiner überzogenen Ausprägung in der heutigen Arbeitswelt oft unbrauchbar ist? Brauchen wir wirklich diese Rückwärtsgewandtheit? Fair enough. Ich bin auch ein Mensch, der gerne nach vorne schaut und die Zukunft gestaltet. Es gibt bereits viele wertvolle Bücher zur Zukunft der Arbeit – sei es im Rahmen der New-Work-Forschung4 oder der New-Ways-of-Working-Praxis5. Andere wiederum zeigen auf, welche Future Skills6 entscheidend für unsere Wettbewerbsfähigkeit sind und wie wir sie entwickeln können. All das gibt Orientierung und Inspiration. Doch zwischen diesen leuchtenden Fixsternen und der Arbeitsrealität vieler Menschen in Deutschland klafft eine gewaltige Lücke. Gerade in der Post-Corona-Zeit erleben wir international wie national nicht nur Fortschritte, sondern auch Rückschritte: Ein erstarkendes, traditionelles Leistungsverständnis. Mehr Kontrolle statt Vertrauen. Mehr Machtkonzentration bei Einzelnen statt geteilter Verantwortung. Auf dem Weg zu einer besseren Arbeitswelt brauchen wir zunächst einen wesentlichen ersten Schritt – das Verlernen und Loslassen von alten Denk- und Verhaltensmustern. Es geht darum, alte Glaubenssätze und unbewusste Automatismen zu hinterfragen – jene Muster, die unsere Arbeitsmentalität und -kultur seit Jahrzehnten prägen. Verhaltensweisen, die so tief in uns verankert sind, dass sie sich wie ein natürliches Normal anfühlen: „Das ist halt so in einer verantwortungsvollen Führungsposition.“ „Das war schon immer so bei unseren Entscheidungsprozessen.” Solche Muster bremsen uns in einer zunehmend komplexeren und dynamischeren Arbeitswelt. Und ja, das bedeutet, dass wir (leider) erst einmal in das unbequeme Dickicht dieser alten Denkmuster eintauchen müssen rund um das Thema WIE wir arbeiten, WAS wir als Arbeit empfinden und WIE LANGE Arbeit dauert. Doch wie gelingt dieser Wandel des Verlernens? Wie können wir von einem überholten Leistungsverständnis zu einer neuen Art des Arbeitens und Denkens kommen? Genau hier setzt dieses Buch an. In den folgenden Kapiteln wirst du entdecken, wie der innere Preuße deine Produktivität und Lebensqualität beeinflusst und wie du dich davon befreien kannst. Die Reise beginnt in Kapitel 1 mit der im Mittelpunkt des Buches stehenden Methodik des inneren Teams und einer genaueren Betrachtung deiner eigenen Persönlichkeitsfacetten. Diese Erkenntnisse sind der erste Schritt, um die Auswirkungen des inneren Preußen auf dein Leben zu verstehen und ihn später transformieren zu 13 EINLEITUNG

können. Kapitel 2 beleuchtet, warum der innere Preuße als Identifikationsfigur für unermüdliche Disziplin, Obrigkeitshörigkeit und Selbstverleugnung so tief in uns verankert ist. Hier werden wir uns mit den kulturellen und geschlechtsstereotypen Einflüssen auseinandersetzen, die den inneren Preußen genährt haben. Kapitel 3 gibt dir einen Überblick, welche potenziellen negativen Spuren der innere Preuße hinterlässt – sowohl in deinem persönlichen Leben als auch im wirtschaftlich-gesellschaftlichen Kontext. In Kapitel 4 findest du vier praktische Selbstcoachingschritte, mit denen du deinen inneren Preußen überwinden kannst. Kapitel 5 beschäftigt sich damit, wie du das Potenzial des inneren Preußen für dich nutzen kannst, ohne dich von ihm beherrschen zu lassen. Du wirst neue Denkansätze entwickeln, die dir helfen, sowohl beruflich als auch privat ein erfülltes Leben zu führen. Kapitel 6 schließt das Buch ab mit dem Ausblick auf eine Arbeitswelt ohne den alten inneren Preußen. Du wirst erfahren, wie du eine performante und gleichzeitig gesündere Arbeitsumgebung schaffen kannst. Und wie wir als Gesellschaft eine neue Arbeitskultur etablieren können, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Vielleicht erscheint dir das Eintauchen in diese alte Welt der Arbeit nicht mehr zeitgemäß oder zu verstaubt. Vielleicht arbeitest du bereits in einem Umfeld, in dem du produktiv wirken kannst, ohne dich ständig zwischen Arbeit und Lebensqualität entscheiden zu müssen. Falls das so ist – herzlichen Glückwunsch. Denn das Buch ist auch als herzliche Einladung und Rückenwind für diejenigen Lesenden gedacht, denen diese Gedankenkarussellwelt fremd vorkommt. Geh weiter, genieße es – und sei ein Vorbild für die, die noch nicht dort angekommen sind. Aber … ● wenn du mit „Arbeit ist das halbe Leben“ haderst, weil du gerne viel leistest, aber vom Rest des Lebens gefühlt zu wenig übrig bleibt, ● wenn du dich in hierarchischen Strukturen abhängig fühlst, die dich bremsen, ● wenn du als Führungskraft bessere und fairere Rahmenbedingungen schaffen willst für andere, ● wenn du zwar viel Geschäftigkeit um dich herum siehst, aber wenig Impact im Sinne von Handeln, Entscheiden, Innovation und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen, … dann ist dieses Buch für dich. Die Menschen, für die dieses Buch gedacht ist, beschreibt der Begriff „Gern- und Vielleistende“7 sehr treffend – geprägt wurde er von meiner geschätzten Lehrcoach Kara Pientka. Sie hat mich in meiner Coachingausbildung durch ihren sportlichen, humorvollen Ansatz ebenso geprägt wie durch ihre Haltung und konzeptionelle 14 EINLEITUNG

Pionierarbeit im Coaching. Der Begriff beschreibt Menschen, die gerne Verantwortung übernehmen, gestalten, leisten – oft aus innerem Antrieb und mit hohem Anspruch an sich selbst. Dieses Buch richtet sich an ambitionierte Berufstätige, die mitten im Leben stehen – und bereit sind, auch mal nach innen zu hören. Menschen, die mehr von sich selbst verstehen wollen – nicht, um sich zu optimieren, sondern um sich selbst bewusster zu führen. In diesem Buch gehe ich unserer deutschen Arbeitsmentalität auf den Grund und zeige auf, wie jede und jeder Einzelne eine gesunde, nachhaltig erfolgreiche Einstellung zur Arbeit finden kann. Unsere überholte Arbeitsprägung, die noch im Fabrikzeitalter feststeckt, spiegelt sich aktuell in der omnipräsenten Hustle-Kultur wider. Die Hustle-Kultur ist ein soziokulturelles Phänomen, das sich durch eine starke Betonung von hartem Arbeitseinsatz, Durchhaltevermögen, Selbstoptimierung und Erfolgsstreben auszeichnet. Ursprünglich in den Vereinigten Staaten entstanden, hat sich die Hustle-Kultur zu einer globalen Bewegung entwickelt. Sie wird teils gefeiert, teils kritisch beäugt. Viel Stress zu haben, lange Arbeitszeiten und eine überquellende To-do-Liste gelten in vielen Unternehmenskulturen immer noch als Statussymbole. Nach dem Motto: Wer viel gefragt ist und die Überlastung heroisch erträgt, bringt bestimmt wichtige, seltene Eigenschaften für den Arbeitsmarkt mit. Das dahinter liegende, kulturell geprägte Verständnis, dass Arbeit immer hart und zeitintensiv sein muss und wir mit Fleiß und Disziplin alles erreichen können, ist jedoch ein weit verbreiteter Denkfehler. Und was ist die Deutungshoheit für Misserfolge aus diesem Denkschema? Dass wir nicht hart genug an unseren Zielen gearbeitet haben. Eine wichtige Rolle für unser Produktivitätsverständnis spielt unsere kulturelle Sozialisation. Bis heute wirkt die tayloristische Arbeitsteilung8 in weiten Teilen unserer westlichen Berufswelt. In dem auf Massenproduktion ausgerichteten Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine Ende des 19. Jahrhunderts trug die- ser Ansatz zum Erfolg der Fabrikarbeit bei. Gemäß diesem Verständnis ist der einzelne Mensch ein perfekt geöltes Zahnrad in einem großen Getriebe. Er ist fleißig und – vor allem – er funktioniert. Heute passt dieses Denken nicht mehr zur Realität von Wissensarbeit, die insbesondere für Innovationen und den wirtschaftlichen Erfolg in unserer aktuellen Wissensgesellschaft entscheidend ist. Trotzdem wirkt das Menschenbild als Zahnrad im Getriebe durch explizite Hierarchie- und Zeitstrukturen oder implizites Silo- und Konformismusdenken in vielen Unternehmen bis heute fort. Hinzu kommen die immensen Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz. Wir werden zukünftig keine besseren Arbeitsergebnisse und Innovationen erzielen, wenn wir weiterhin versuchen, als Menschen die besseren Maschinen zu sein. Im 15 EINLEITUNG

Gegenteil, wir brauchen heute ganz andere Fähigkeiten und Eigenschaften in der Arbeitswelt:9 Kreativität für neue Lösungen, Neugier, Lernbereitschaft und vernetztes Denken, um neue Lösungen zu finden, gelebte Diversität und Kollaboration mit Fokus auf individuellen Stärken und Talenten, den Mut, Unbequemes anzusprechen, und einen balancierten Blick auf die eigenen Bedürfnisse. Durchhaltevermögen, Pflichtbewusstsein und Fleiß bleiben wichtige Eigenschaften und Werte für unsere Arbeitswelt der Zukunft. Mein Anliegen ist es jedoch aufzuzeigen, warum eine Übertreibung dieser an sich wünschenswerten Eigenschaften und Verhaltensweisen sowohl für die heutige Arbeitswelt als auch für uns selbst und unsere Lebensqualität nicht förderlich ist. Hinter dem veralteten Leistungsanspruch „mehr anstrengen, mehr leisten“ steht letztlich unser zutiefst menschliches Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Anerkennung. Die Sehnsucht, wie ein Puzzleteil möglichst gut in ein Arbeitssystem zu passen, schadet uns jedoch selbst und wird nicht den strukturellen Fortschritt bringen, den viele Branchen aktuell für eine globale Wettbewerbsfähigkeit benötigen. Genau deshalb ist es sinnvoll, den Blick nach innen zu wagen und den Kontakt zu sich selbst wieder aufzunehmen. Zu beobachten, welche soziokulturellen Prägungen – und gegebenenfalls auch Narrative von zu Hause – wir in unserem mentalen Rucksack haben. Um zu reflektieren, welches Produktivitäts- und Erfolgsverständnis wir haben und ob wir dieses bewusst neu definieren möchten. Eigene Stärken und Talente zu kennen und zu entdecken, in welchen Unternehmensbiotopen man sich am besten entfalten kann, ist essenziell, um eine nachhaltig erfolgreiche Karriere aufzubauen. Die beiden Managementvordenker und Autoren Anja Förster und Peter Kreuz beschreiben diesen notwendigen Perspektivwechsel im Berufsleben wie folgt: „Weg von der extrinsischen Ausrichtung ‚Wie soll ich funktionieren?‘ hin zur intrinsischen ‚Welchen Wert kann und will ich beitragen?‘“10 Gleichzeitig bin ich überzeugt: Eine neue Arbeitsmentalität ist nicht allein die Verantwortung jedes Einzelnen. Ein Wandel auf systemischer Ebene ist ebenso wichtig. Unsere Anreiz- und Belohnungssysteme in der Wirtschaft müssen sich verändern, um eine gesunde Arbeitskultur zu fördern – und um den Herausforderungen der globalen Polykrise gerecht zu werden, der wir als drittstärkste Wirtschaftsnation gegenüberstehen. Diese systemische Perspektive beleuchte ich in Kapitel 6. Doch ich bin Pragmatikerin. Es geht nicht um radikale Umbrüche als Selbstzweck. Im Gegenteil: Wir dürfen gemeinsam mit dem arbeiten, was ist, und brauchen gezielte strukturelle Veränderungen, die Fairness, Transparenz und Chancengerechtigkeit in der Arbeitswelt stärken. Wenn wir über eine zukunftsfähige 16 EINLEITUNG

Arbeitskultur sprechen, geht es darum, die bestehenden Strukturen so weiterzuentwickeln, dass sie mehr Menschen echte Teilhabe und Wirksamkeit ermöglichen. Es braucht neue Rahmenbedingungen, die Vertrauen und Verantwortung fördern, anstatt alte Machtgefälle zu verfestigen. Es braucht beides – den inneren Wandel auf individueller Ebene und die Entwicklung gesünderer, nachhaltig erfolgreicher Arbeitssysteme. Doch auch jede Veränderung auf organisationaler Ebene beginnt bei den Menschen, die diese Systeme gestalten und prägen. Bei jedem einzelnen von ihnen. Auch bei Entscheider:innen ist der innere Wandel der erste und wichtigste Schritt: Nur wer selbst alte Denk- und Verhaltensmuster überprüft und verändert und eine neue Arbeitsmentalität einnimmt, kann den Mut und die Weitsicht entwickeln, die notwendigen Veränderungen in den Strukturen anzustoßen und voranzutreiben. Warum heißt der innere Preuße innerer Preuße? Die Bezeichnung innerer Preuße ist im Rahmen meiner Coaching- und Persönlichkeitsentwicklungsarbeit entstanden. Sie verweist auf einen Teil unseres kulturellen Erbes, das mit sogenannten preußischen Tugenden wie Disziplin, Pflichtgefühl und Gehorsam verknüpft ist. Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass der innere Preuße keinesfalls idealisiert wird. Als weltoffener, demokratischer Mensch des 21. Jahrhunderts halte ich es für unabdingbar, uns von alten, hierarchischen und restriktiven Denkrichtungen zu lösen. Gerade im Angesicht der bedrohlichen Rückkehr alter, antidemokratischer Gedanken und Tendenzen in unserer Gesellschaft ist es wichtiger denn je, uns von überholten Strukturen zu befreien, um die Werte der Demokratie zu bewahren und zu stärken. Trotz aller Ernsthaftigkeit des Themas sind einige Abschnitte mit einem humorvollen Augenzwinkern geschrieben. Wie im Coaching kann Humor wunderbar dabei helfen, den Blick nach innen zu wagen. Die Reflexionsfragen in diesem Buch sind so gestaltet, dass sie dir helfen, tiefer in deine persönlichen Überzeugungen und Erfahrungen einzutauchen. Ich empfehle dir, die Fragen nicht nur gedanklich zu beantworten, sondern deine Antworten schriftlich festzuhalten. Schreiben bringt Klarheit und hilft dir, deine Gedanken zu ordnen und Muster zu erkennen. Ein Notizbuch, ob analog oder digital, kann ein wertvoller Begleiter auf deiner Reise sein. Ich verwende das Du beim Schreiben dieses Buches, um die Distanz zwischen dir, als Leser:in und mir möglichst gering zu halten. Gerade den inneren Preußen 17 EINLEITUNG

können wir mit dieser Ansprache vielleicht aus der Reserve locken, denn sich auf Augenhöhe zu begeben, ist er nicht gewohnt. Die im Buch dargestellten Fälle basieren auf Coachingprozessen mit Coachees in meiner Praxis. Um die Anonymität meiner Coachees zu bewahren, habe ich natürlich die Namen und weitere Angaben wie Alter, Geschlecht und berufliche Positionen verändert. 18 EINLEITUNG

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