Grundlagen - SGB IX: Teilhabe und Rehabilitation für Menschen mit Behinderung

Grundlagen – SGB IX: Teilhabe und Reha- bilitation für Menschen mit Behinderungen Thomas Knoche Textausgabe mit praxisorientierter Einführung DNWXDOLVLHUWH $XʴDJH Verbesserungen durch das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts

www.WALHALLA.de ISBN 978-3-8029-7243-0 € 14,95 [D] • AKTUELL • PRAXISGERECHT • VERSTÄNDLICH WISSEN FÜR DIE PRAXIS Rechtsgrundlagen kennen, verstehen und anwenden! Diese Arbeitshilfe enthält den aktuellen Gesetzestext des Neunten Buches Sozial- gesetzbuch (SGB IX) sowie die dazugehörigen Durchführungsverordnungen. Die Einführung gibt Überblick über die Rechtsmaterie, erläutert den dreiteiligen *HVHW]HVDXIEDX GLH /HLVWXQJVYRUDXVVHW]XQJHQ VRZLH 5HFKWH XQG 3ʴLFKWHQ GHU Berechtigten: • Allgemeine Leistungsgrundsätze • Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe • Leistungskatalog der Rehabilitationsleistungen • Individuelle Teilhabeplanung • Unterhaltssichernde Leistungen • Eingliederungshilfeleistungen • Bedarfsermittlung, Gesamtplanverfahren • %HVFK¦IWLJXQJVSʴLFKW EHL 6FKZHUEHKLQGHUXQJ • Rechte bei Schwerbehinderung Ideal geeignet, um sich in das Rechtsgebiet einzuarbeiten, für Aus- und Fortbildungen sowie zum schnellen Nachschlagen in der Praxis. Thomas Knoche, Diplom-Sozialpädagoge in der Behindertenhilfe, Fachautor von FOKUS Sozialrecht.

Schnellübersicht Seite Vorwort Abkürzungen 7 9 Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe 11 1 Recht der Eingliederungshilfe 41 2 Schwerbehindertenrecht 63 3 Gesetzliche Grundlagen (SGB IX, FrühV, KfzHV, SchwbAwV, SchwbAV, WVO) 81 4

Vorwort Im Mittelpunkt des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) steht, Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohten Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ziel der Sozialleistungen ist die Förderung der Teilhabe dieses Personenkreises an der Gesellschaft, insbesondere am Arbeitsleben. Dieses Ziel soll mit medizinischen, beruflichen und sozialen Leistungen schnell, wirkungsvoll, wirtschaftlich und auf Dauer erreicht werden. Diese grundsätzliche Zielsetzung hat sich mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG), ein in den letzten Jahren in Stufen in Kraft getretenes Gesetzepaket zur Verbesserung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, nicht geändert. Im Gegenteil: Mit diesem Reformgesetz soll eine umfassende Einbeziehung in die Gesellschaft ermöglicht und die UN-Behindertenrechtskonvention umfassend im deutschen Recht verankert werden. Das SGB IX hat seit 01.01.2020 folgende Struktur: & InTeil 1 (§§ 1–89) istdas für alle Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations- und Teilhaberecht zusammengefasst. Er regelt, – welche Leistungen es gibt, –wer für die Leistungserbringung zuständig ist, – wie der Bedarf ermittelt wird, – wie das Beteiligungsverfahren des Betroffenen (Teilhabeplanverfahren) funktioniert, – welche Beratungsmöglichkeiten es gibt, – wie sich die Rehabilitationsträger untereinander Kosten erstatten. & InTeil 2 (§§ 90–150) wurde die zum 01.01.2020 aus dem SGB XII (= Sozialhilfe) herausgelöste und reformierte Eingliederungshilfe als „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ als eigenständiges Leistungsgesetz eingefügt. & InTeil 3 (§§ 151–241) findet sich das Schwerbehindertenrecht wieder. Weiterentwicklungen durch das Bundesteilhabegesetz betreffen im Wesentlichen die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen, die Verbesserung der Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in Werkstättenfür behinderte Menschen, Regelungen zur Benutzung www.WALHALLA.de 7

von Behindertenparkplätzen sowie die Schaffung eines Merkzeichens für taubblinde Menschen im Schwerbehindertenausweis. Die Einführung folgt dieser Einteilung. Sie erläutert praxisnah Bedeutung und Tragweite des SGB IX und macht es leicht, einenÜberblick über das aktuelle Recht zu gewinnen. In Kapitel 4 sind die gesetzlichen Grundlagen zu finden: das SGB IX mit Rechtsstand 01.01.2024 sowie dazugehörige Ausführungs- bzw. Durchführungsverordnungen. Thomas Knoche 8 www.WALHALLA.de

Begriff der Behinderung Bis zur Reform durch das Bundesteilhabegesetz wurde im SGB IX die Behinderung als Beeinträchtigung der Teilhabe bei nicht alterstypisch beeinträchtigtem Funktionszustand beschrieben. Durch das Bundesteilhabegesetz wurde der Begriff der Behinderung in § 2 SGB IX mit Geltung ab 01.01.2018 der UN-Behindertenkonvention und damit der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) angepasst. Nunmehr sind Menschen mit Behinderungen Personen, – die körperliche (eigens aufgeführt nun auch Sinnbeeinträchtigungen), seelische, geistigeBeeinträchtigungenhaben, –welcheuntypisch fürdasAlter sindund – (höchstwahrscheinlich) länger als sechs Monateandauern. Dies entspricht der bisherigen Definition. Neu durch das Bundesteilhabegesetz eingeführt wird als zusätzliches Merkmal – die Betrachtung der Wechselwirkung der Person und zur Umwelt (sog. einstellungs- und umweltbedingten Barrieren) und wie diese die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft beeinträchtigt. Mit dieser Neudefinition kommt zum Ausdruck, dass sich die Behinderung erst durch die gestörte oder nicht entwickelte Interaktion zwischen dem Individuum und seiner materiellen und sozialen Umwelt manifestiert. Sie orientiert sich dabei am bio-psycho-sozialen Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit – ICF (www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICF/_node.html), das Behinderung ebenfalls als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen Gesundheitsproblem und den personen- und umweltbezogenen Kontextfaktoren definiert. Grafisch kann diese Wechselwirkung wie folgt dargestellt werden: 1 12 www.WALHALLA.de

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Leistungsgruppen und Rehabiliationsträger § 1 SGB IX betont die Selbstbestimmung und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohten Menschen. Dies soll das SGB IX ermöglichen und Benachteiligungen vermeiden und ihnen entgegenwirken. Dabei soll den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen werden. Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft könnenbei Bedarf erbracht werden (§ 5 SGB IX): 1. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 2. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 3. unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen 4. Leistungen zur Teilhabe an Bildung 5. Leistungen zur sozialen Teilhabe Wer die Rehabilitationsträger sind, ist in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 SGB IX bestimmt. Dort ist auch bestimmt, für welche Leistungsgruppen nach § 5 SGB IX sie zuständig seinkönnen. Danach ergeben sich folgende Zuständigkeiten: Träger Medizinische Rehabilitation Teilhabe am Arbeitsleben Unterhaltssichernde Leistungen Teilhabe an Bildung Soziale Teilhabe Gesetzliche Krankenkassen X X Bundesagentur für Arbeit X X Gesetzliche Unfallversicherung X X X X X Gesetzliche Rentenversicherung X X X Träger der Alterssicherung der Landwirte X X Träger der Sozialen Entschädigung X X X X X Öffentliche Jugendhilfe X X X X Träger der Eingliederungshilfe X X X X Wie die Tabelle zeigt, können unterschiedliche Träger zuständigsein (sog. Trägerzuständigkeit im gegliederten System). Dies war bereits Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe 1 14 www.WALHALLA.de

vor der Reform des Bundesteilhabegesetzes so. Mit dem Bundesteilhabegesetz eingeführt wurde aber, dass Leistungsberechtigte nun Leistungen „wie aus einer Hand“ erhalten. Grundsätzlich gibt es daher nur noch einen „leistenden Rehabilitationsträger“, der sich um die Bedarfsermittlung, Koordinierung und Leistungserbringung zu kümmernhat. Das Zuständigkeitsverfahren gestaltet sich wie folgt (§ 14 SGB IX): & Wenn der erstangegangene Reha-Träger für die gesamte beantragte Leistung zuständigist, wird er zwei Wochen nach Antragseingang zum leistenden Rehabilitationsträger. & Ist der erstangegangene Reha-Träger insgesamt nicht zuständig, leitet er den Antrag innerhalb von zwei Wochen an einenzweiten Reha-Träger weiter, der bei Zuständigkeit zum leistenden RehaTrägerwird. Über den weitergeleiteten Antrag ist dann innerhalb einer Drei-Wochen-Frist zu entscheiden. & Wenn auch der zweite Reha-Träger insgesamt nicht zuständig ist, kann er den Antrag in Absprache an einen dritten Reha-Träger weiterleiten. Damit wird dieser – auch bei Nichtzuständigkeit – leistender Reha-Träger. Über den Antrag ist in diesen Fällen innerhalb einer Drei-Wochen-Frist zu entscheiden; Fristbeginn ist dabei der Antragseingang beim zweiten Reha-Träger. Eine Fristverlängerung ist daher ausgeschlossen (§ 14 Abs. 3 SGB IX). Fällt ein Teil der beantragten Leistungen nicht in die dem jeweiligen Rehabilitationsträger zugeordneten Leistungsgruppen, besteht die Möglichkeit, den Antrag zu „splitten“ (§ 15 Abs. 1 SGB IX). Der angegangene Reha-Träger kann den Antrag also auch nur teilweise weiterleiten, wenn er für einen Teil der erforderlichen Leistungen nicht Reha-Träger sein kann (z. B. ist die gesetzliche Rentenversicherung nicht für Leistungen der sozialen Teilhabe zuständig). Benötigt der leistende Reha-Träger die Mitwirkung weiterer RehaTräger, um den Bedarf zu ermitteln und einen Teilhabeplan erstellen zukönnen, so fordert er von diesen entsprechende Feststellungen an (§ 15 Abs. 2 SGB IX) und berät diese mit den beteiligten Trägern. Es gilt dabei eine Frist von zwei Wochen (Ausnahme: Gutachten – hier gilt eine Frist von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens, zur Notwendigkeit eines Gutachtens siehe auch § 17 SGB IX): & Gehen die Feststellungen innerhalb dieser Frist ein, so ist der leistende Reha-Träger an diese gebunden. Leistungsgruppen und Rehabiliationstr-ger 1 www.WALHALLA.de 15

& Anworten die Reha-Träger nicht innerhalb der vorgegebenen Frist, muss der leistende Reha-Träger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend feststellen! Der Antragsteller bekommt abschließend einen Bescheid vom leistenden Reha-Träger, in dem alle Leistungen zusammengefasst sind („Leistungen wie aus einer Hand“). Bei Beteiligung mehrer Trägerbeträgt die Frist zur Entscheidung dabei sechs Wochen ab Antragseingang beim ersten Reha-Träger (§15 Abs. 4 SGB IX). Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Eine Leistungsgruppe im Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sind nach § 5 SGB IX die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, geregelt in § 42 bis § 48 SGB IX. Rehabilitationsträger der medizinischen Leistungen können nach § 6 SGB IX alle Träger sein mit Ausnahme der Bundesagentur fürArbeit. Unterschiede zwischen den Trägern bestehen hinsichtlich des Leistungskatalogs und der Zugangsvoraussetzungen zu den Leistungen. Hier gelten die jeweiligen Leistungsgesetze der Träger (z. B. gesetzliche Rentenversicherung siehe § 9 SGB VI, § 15 SGB VI; gesetzliche Krankenversicherung siehe § 11 Abs. 2 SGB V und der Katalog der Kassenleistungen; Eingliederungshilfeträger siehe § 109 SGB IX [siehe auch Kapitel 2]; Kinder- und Jugendhilfeträger siehe § 35a SGB VIII für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche). Ziel und Aufgabe der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 42 Abs. 1 SGB IX): & Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhütenoder & Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zuüberwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern. Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe 1 16 www.WALHALLA.de

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen insbesondere: & Behandlung durchÄrzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, einschließlich der Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln & Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder & Arznei- und Verbandmittel & Heilmittel einschließlich physikalischer Sprach- und Beschäftigungstherapie & Psychotherapie alsärztliche und psychotherapeutische Behandlung & Hilfsmittel & Digitale Gesundheitsanwendungen & Belastungserprobung und Arbeitstherapie Bestandteil dieser Leistungen sind auch medizinische, psychologische undpädagogische Hilfen. Allerdings muss im Einzelfall geprüftwerden, ob diese Hilfen erforderlich sind, um die Rehabilitationsziele zu erreichen. Mit diesen Hilfen sind insbesondere gemeint: & Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung & Aktivierung von Selbsthilfepotentialen & mit Zustimmung der Leistungsberechtigten Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen & Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten & Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen & Training lebenspraktischer Fähigkeiten & Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen der medizinischen Rehabilitation Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 1 www.WALHALLA.de 17

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern, werden die erforderlichen Leistungen zur beruflichen Rehabilitation von den zuständigen Leistungsträgern erbracht. Diese Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden in § 49 SGB IX näher ausgeführt. Es gibt vier Möglichkeiten, wie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden können: & über Leistungen einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 56 SGB IX) & über Leistungen eines „anderen Leistungsanbieters“ (§ 60 SGB IX) & über das Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX) & über das Budget für Ausbildung (§ 61a SGB IX) Wahlrecht Menschen mit Behinderungen haben nach § 62 SGB IX ein Wahlrecht, wie bzw. bei welchem Anbieter sie die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen möchten.Möglich ist auch, dass sie einzelne Module bei unterschiedlichen Anbietern wählen (z. B. Leistungen der beruflichen Bildung in der Werkstatt und Leistungen zur Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter). Aus diesem Wunsch- und Wahlrecht des Betroffenen ergibt sich die Verpflichtung der Werkstatt, mit anderen Leistungsanbietern zusammenzuarbeiten und entsprechende Leistungen anzubieten. Der unmittelbar verantwortliche Leistungsanbieter bleibt in dieser Zeit auch Verantwortlicher für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge, soweit diese nicht durch den Leistungsträger zu entrichten sind. Dagegen besteht kein Wahlrecht zur „Mischung“ von Leistungen, wenn ein Budget für Arbeit in Anspruch genommen wird. Der Passus in § 62 Abs. 2 SGB IX, dass die Leistungserbringung der Zustimmung des unmittelbar verantwortlichen Leistungsanbieters bedarf, widerspricht eigentlich dem Wahlrecht, denn der verantwortliche Leistungsanbieter könnte den Wunsch, Leistungen von einem anderen Anbieter zu beziehen, ja auch ablehnen. Laut GesetLeistungen zur Rehabilitation und Teilhabe 1 18 www.WALHALLA.de

zesbegründung soll aber damit nur geregelt werden, wer die Koordinierung und die Zusammenarbeit organisiert, und letztlich, wer die Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Leistungen Die Leistungen (§ 49 Abs. 3 SGB IX) umfassen insbesondere: & Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, zu Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen & Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung & Individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung & Berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen & Berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführtwerden & Förderung zur Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit & Sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessenberücksichtigt. Soweit erforderlich wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt. Die notwendigen Kosten werden dabei übernommen (§ 49 Abs. 4 SGB IX). Die Leistungen werden auch für Zeiten notwendiger Praktika erbracht (§ 49 Abs. 5 SGB IX). Die Leistungen umfassen auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind (§ 49 Abs. 6 SGB IX). Hierunter fallen Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung, die Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen und die Vermittlung zuörtlichen Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 1 www.WALHALLA.de 19

Ebenso können Partner, Angehörige, Vorgesetzte und Kollegen informiert und beraten werden, solange es mit dem Leistungsempfänger abgesprochen ist. Als Leistung könnenaußerdemgewährt werden: & Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz & Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen & Training lebenspraktischer Fähigkeiten & Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Zu den Leistungen gehört auch die Übernahme der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Ausführung einer Leistung eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolgs der Teilhabe notwendig ist (§ 49 Abs. 7 SGB IX). Außerdemkönnen für LehrgängePrüfungsgebühren, Lernmittel, Arbeitskleidung und Arbeitsgerät übernommen werden. Zusätzlich sind nach § 49 Abs. 8 SGB IX weitere Leistungen möglich, um einen Arbeitsplatz zu erlangen oder zu erhalten. Dies können Mobilitätsleistungen in Form von Kraftfahrzeughilfe sein, technische Hilfsmittel für den Arbeitsplatz, die Kosten eines Jobcoachings, der Ausgleich von Verdienstausfällen oder auch eine Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass bei besonders betroffenen Schwerbehinderten das Ziel der dauerhaften Teilhabe am Arbeitsleben nur erreichbar ist, wenn ausbildungs- und berufsbegleitende persönliche Hilfen zur Verfügungstehen. Leistungen an Arbeitgeber Die Rehabilitationsträger können nach § 50 SGB IX – teilweise unter Bedingungen und/oder Auflagen – auch Leistungen an Arbeitgeber erbringen, sofern sie zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind, insbesondere: & Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen & Eingliederungszuschüsse Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe 1 20 www.WALHALLA.de

& Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb & teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung Ausbildungszuschüssekönnenfür die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden und sollen bei Ausbildungsmaßnahmen die von den Arbeitgebern im letzten Ausbildungsjahr zu zahlenden monatlichen Ausbildungsvergütungen nicht übersteigen. Eingliederungszuschüsse betragen höchstens 50 Prozent der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte. Die Leistungen sollen im Regelfall für nicht mehr als ein Jahr geleistet werden. Soweitesfür die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, könnenbis zu 20 Prozent mehr gezahlt werden. Die Förderungshöchstdauer kann um ein Jahr verlängert werden. Eingliederungszuschüsse werden zurückgezahlt, wenn die Arbeitsverhältnissewährenddes Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch einem Jahr, nach dem Ende der Leistungen beendet werden. Dies gilt nicht, wenn & die Leistungsberechtigten die Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beenden oder das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht haben oder & die Arbeitgeber berechtigt waren, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigungin diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen. DieRückzahlung ist auf die Hälftedes Förderungsbetrags, höchstens aber den im letzten Jahr vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag, begrenzt; ungeförderte Nachbeschäftigungszeiten werden anteilig berücksichtigt. Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke sind die zwei Haupttypen von Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation; daneben können entsprechend dem individuellen Bedarf Leistungen auch durch andere Arten von Einrichtungen ausgeführt werden. Die Einrichtungen müssen nach § 51 SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 1 www.WALHALLA.de 21

1. nach Dauer, Inhalt und Gestaltung der Leistungen, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung der Leitung und der Lehrkräfte sowie der Ausgestaltung der Fachdienste eine erfolgreiche Ausführung der Leistung erwarten lassen, 2. angemessene Teilnahmebedingungen bieten und behinderungsgerecht sein, insbesondere auch die Beachtung der Erfordernisse des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütunggewährleisten, 3. den Teilnehmenden und den von ihnen zu wählenden Vertretungen angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten an der Ausführung der Leistungen bieten sowie 4. die Leistung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, insbesondere zu angemessenen Vergütungssätzen, ausführen. Soweit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Einrichtungen zur beruflichen Rehabilitation ausgeführt werden, verdeutlicht § 52 SGB IX, dass die Teilnehmer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu diesen Einrichtungen stehen. Gleichwohl sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze über den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie Vorschriften über den Arbeitsschutz, den Erholungsurlaub und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen entsprechend anzuwenden. Leistungen in WfbM; andere Anbieter Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM, § 219 SGB IX) werden erbracht, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern (§ 56 SGB IX). Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt haben Menschen mit Behinderungen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, die aber – so die Prognose – nach Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe 1 22 www.WALHALLA.de

Andere Leistungsanbieter Neu mit dem Bundesteilhabegesetz eingeführt wurden „andere Anbieter“ (§ 60 SGB IX). Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen haben, können seit 01.01.2018 alternativ die ihnen zustehenden Leistungen auch außerhalb bei anderen Leistungsanbietern in Anspruch nehmen. In § 60 Abs. 2 SGB IX ist geregelt, welche Voraussetzungen andere Leistungsanbieter mitbringen müssen. Im Prinzip sind dies dieselben Vorgaben, wie sie auch für Werkstätten für behinderte Menschen gelten. Es gibt aber Abweichungen: & Andere Anbieter brauchen keine förmliche Anerkennung durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 225 SGB IX. Sie müssen aber mit dem Träger der Eingliederungshilfe oder anderen zuständigen Reha-Trägern die entsprechenden Vereinbarungen abschließen. & Andere Anbieter müssen keine Mindestplatzzahl vorhalten und sind nicht an die räumlichen und sächlichen Mindestaustattungen derWerkstättenverordnung gebunden. & Sie können ihr Leistungsangebot auf einzelne Module beschränken. & Es besteht für Andere Anbieter auch keine Verpflichtung, ob sie leistungsberechtigte Personen aufnehmen oder nicht. & Die Wahl von Frauenbeauftragten und die Mitbestimmung durch Werkstatträte werden in Anlehnung an das Betriebsverfassungsgesetz geregelt. & Regelungen zur Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe und zur bevorzugten Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand sind nicht anzuwenden. & Bei anderen Anbietern, die ausschließlich Leistungen im Eingangsverfahren, im Berufsbildungsbereich und im Arbeitsbereich in betrieblicher Form erbringen, muss sich der Personaleinsatz immer am Bedarf der Leistungsberechtigten orientieren. Dabei ist ein höherer Personalschlüssel als in § 9 Abs. 3 der Werkstattverordnung vorgegeben anzuwenden. Erfahrungsgemäß ist hier ein höherer Personalschlüssel angebracht, weil in einer betrieblichen Umgebung das Setting in einer stationären Betreuung in einer Werkstatt für behinderte Menschen mit der Ausrichtung auf individuelle Begleitung nur durch mehr Personal ausgeglichen werden kann. Die Mehrkosten, die dem Leistungsträger dadurch entstehen, werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 1 www.WALHALLA.de 23

Grundsätze der Eingliederungshilfe Mit dem Bundesteilhabegesetz wurde die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen zu einer personenzentrierten Teilhabeleistung außerhalb des Fürsorgesystems fortentwickelt; ausschlaggebend soll nur noch sein der notwendige individuelle Bedarf. Hierzu wurden mit einem zeitlich gestuften Inkrafttreten unter anderem zum 01.01.2020 die Leistungen der Eingliederungshilfe aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) herausgelöst und als „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ in das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), dort als Teil 2, überführt. Dieser Teil 2 wird in § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB IX als eigenständiges Leistungsrecht klassifiziert. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern (§ 90 Abs. 1 SGB IX). Die Leistung soll die Leistungsberechtigten dazu befähigen, ihre Lebensplanung und -führungmöglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können. Eingliederungshilfeleistungen sind nachrangige Leistungen, das heißt, sie werden nur dann – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – gewährt, wenn keine Ansprüchegegenüber vorrangig verpflichteten Leistungsträgern bestehen (§ 91 SGB IX). Wichtig: Nicht nachrangig, sondern gleichrangig sind die Eingliederungshilfeleistungen in Bezug zu Leistungen der Pflegeversicherung. Eingliederungshilfe und Pflege haben grundsätzlich unterschiedliche Aufgaben. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist die Förderung der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Aufgabe der Pflege ist die Kompensation von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder derFähigkeiten. In diesem Zusammenhang zu beachten ist auch § 103 SGB IX, der Schnittstellen zwischen Eingliederungshilfe und Pflege beschreibt. So umfasst die Eingliederungshilfe etwa auch die Leistungen zur häuslichen Pflege, solange das Erreichen der im Gesamtplan festgelegten Teilhabeziele noch möglich ist. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass die Leistungserbringung außerhalb besonderer Wohnformen „wie aus einer Hand“ erfolgt. 2 42 www.WALHALLA.de

Wenn von Eingliederungshilfeleistungen die Rede ist, dann sind hier die reinen Fachleistungen gemeint. Denn: Die Neuausrichtung der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz hin zu einer personenzentrierteren Leistungserbringung, die unabhängig von der Wohnform erfolgen soll, führte dazu, dass das bisherige vollversorgende, im SGB XII einheitlich geregelte Leistungs- und Vergütungssystem durch eine Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen abgelöst wurde (§ 93 SGB IX). Diese Trennung erfolgte zum 01.01.2020. Seitdem gilt: Leistungen Zuständigkeit Leistungen zur Teilhabe (= Fachleistungen ohne Differenzierung zwischen (teil-)stationären und ambulanten Leistungen) SGB IX (§§ 109 bis 116): – Leistungen zur medizinischen Rehabilitation – Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – Leistungen zur Teilhabe an Bildung – Leistungen zur Sozialen Teilhabe Eingliederungshilfeträger (§ 98 SGB IX) Leistungen zum Lebensunterhalt und Wohnen (= existenzsichernde Leistungen) – SGB XII: Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – SGB II: Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bürgergeld) Sozialhilfeträger (§ 93 Abs. 1 SGB IX i. V. m. § 3 SGB XII) oder Jobcenter (§ 93 Abs. 1 SGB IX i. V. m. § 6 SGB II) Grunds-tze der Eingliederungshilfe 2 www.WALHALLA.de 43

Eine Vorrang-/Nachrangregelung gibt es auch nicht bei folgenden Leistungen des SGB XII, da es keineÜberschneidungen der Leistungen gibt (§ 93 Abs. 2 SGB IX): & Hilfezur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten & Altenhilfe & Blindenhilfe Grundsätzlich ist zu den Leistungen der Eingliederungshilfe ein finanzieller Beitrag zu leisten (§ 93 SGB IX). Eine Einschränkungdazu macht § 138 SGB IX; dort genannte Leistungen werden beitragsfrei erbracht. Ist eine Leistung beitragspflichtig, so hängt dieHöhe vom Einkommen und Vermögen ab (§§ 135 ff. SGB IX). Auch im Recht der Eingliederungshilfe gilt das Wunsch- und Wahlrecht. § 8 SGB IX, der für alle Rehabilitationsträger gilt, wird mit § 104 SGB IX für das Eingliederungsrecht noch einmal präzisiert. Die Wunsch- und Wahlfreiheit der Leistungsberechtigten ist allerdings nicht unbegrenzt. Während im ersten Absatz des § 104 SGB IX noch die individuelle Bestimmung der Teilhabeziele und des Leistungsanspruchs hervorgehoben wird, wird dies im zweiten Absatz erheblich eingeschränkt. Es wird nun nicht mehr von „berechtigten“ Wünschen wie in § 8 SGB IX gesprochen, sondern von „angemessenen“ Wünschen. Nicht angemessen wären unverhältnismäßige Mehrkosten. Damit diese messbar sind, soll ein Kostenvergleich mit geeigneten und bedarfsdeckenden Leistungsalternativen von Leistungserbringern erfolgen. Berechtigter Personenkreis Ein Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe besteht nach § 99 SGB IX, & wenneinewesentlicheBehinderung vorliegt oder droht und & wenn durch die Leistungen der Eingliederungshilfe die Aussicht besteht, dass volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verwirklicht werden kann; dabei ist stets die Besonderheit des Einzelfalls zu beachten. Wichtig: Der Behinderungsbegriff nach § 2 Abs. 1 SGB IX gilt auch in der Eingliederungshilfe als gesetzliche Definition von Behinderung. Recht der Eingliederungshilfe 2 44 www.WALHALLA.de

§ 99 SGB IX beinhaltet also keine Definition von Behinderung, sondern grenzt den Personenkreis der Leistungsberechtigten nach oben genannten Kriterien ein. Eigentlich sollte die Definition des leistungsberechtigten Personenkreises geändert werden. Darüber gab es im Gesetzgebungsverfahrenunddarüber hinaus viel Streit. Mit dem Teilhabestärkungsgesetz wurde der derzeitige Wortlaut des § 99 SGB IX als „Zwischenlösung“ eingefügt. Danach könnenüber eine Rechtsverordnung Bestimmungenüber die Konkretisierung der Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe erlassen werden. Bis es soweit ist, sind weiterhin die Ausführungen der §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglhV) anzuwenden.1) Das heißt, ausschlaggebend für einenmöglichen Leistungsanspruch in der Eingliederungshilfe ist diewesentlicheEinschränkung. Es wird dabei unterschieden zwischen: & körperlich wesentlich behinderten Menschen (nähere Definition in § 1 EinglhV) & geistig wesentlich behinderten Menschen (nähere Definition in § 2 EinglhV) & seelisch wesentlich behinderten Menschen (nähere Definition in § 3 EinglhV) Wichtig: Wenn das Merkmal der Wesentlichkeit nicht festgestellt werden kann, ist ein Anspruch auf Leistungen zunächst nicht gegeben. Menschen mit „nicht wesentlichen“ geistigen, seelischen, körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigungen, durch die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind, können aber trotzdem Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten (§ 99 Abs. 3 SGB IX). Das ist dann eine Ermessensfrage. Ausländer, Deutsche im Ausland Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis (= unbefristeter Aufenthaltstitel, § 9 Aufenthaltsgesetz) oder einer Aufenthaltserlaubnis (= befristeter Aufenthaltstitel, § 7 Aufenthaltsgesetz) sind 1) Die Eingliederungshilfe-Verordnung ist formal am 31.12.2019 außer Kraft getreten; die §§ 1 bis 3 können aber aufgrund der Einbindung über § 99 Abs. 4 SGB IX weiterhin angewendet werden. Der Wortlaut ist in Kapitel 4 hinter § 99 SGB IX abgedruckt. Berechtigter Personenkreis 2 www.WALHALLA.de 45

und sich voraussichtlich dauerhaft in Deutschland aufhalten, haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen (§ 100 SGB IX). Dagegen können Ausländer mit absehbar nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht Eingliederungshilfe nur als Ermessensleistung erhalten. Von der Leistung ausgeschlossen bleiben Ausländer, denen nachgewiesen werden kann, dass sie nur eingereist sind, um Eingliederungshilfeleistungen zu erlangen. Asylbewerber erhalten zunächst keine Eingliederungshilfe. Anspruch darauf haben sie erst, wenn sie sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (§ 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz). Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten keine Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 101 SGB IX). In außergewöhnlichen Notfällen kann allerdings Eingliederungshilfe gewährt werden. Dazu muss der Hilfesuchende nachweisen können, dass eineRückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist: & Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründenim Ausland bleiben muss & längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung & Pflegebedürftigkeit verhindert die Ausreise & rechtliche Gründen (hoheitliche Gewalt) verhindern, das Land zu verlassen Davon abzugrenzen ist der Fall, dass der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und er sich zum Zeitpunkt des aktuellen Hilfebedarfs im Ausland aufhält. § 104 Abs. 5 SGB IX regelt hier, dass eine Leistungserbringung auch im Ausland möglich ist, wenn & dies im Interesse der Aufgabe der Eingliederungshilfe geboten ist, & die Dauer der Leistungen durch den Auslandsaufenthalt nicht wesentlich verlängert wird und & keine unvertretbaren Mehraufwendungen entstehen. Recht der Eingliederungshilfe 2 46 www.WALHALLA.de

Leistungen der Eingliederungshilfe Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen (vgl. § 102 SGB IX) & Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, & Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, & Leistungen zur Teilhabe an Bildung und & Leistungen zur Sozialen Teilhabe, wobei Leistungen zur Sozialen Teilhabe stets nachrangig sind. Vielleicht verwundert, weshalb diese Leistungsgruppen, gleichlautend mit denen in Teil 1 des SGB IX, hier noch einmal aufgeführt werden? Hier hilft der Blick in § 7 SGB IX. Laut Absatz 1 Satz 1 gelten die Vorschriften in Teil 1 des SGB IX für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Satz 3 von § 7 Abs. 1 SGB IX stellt klar, dass das Eingliederungshilferecht in Teil 2 des SGB IX als eigenes Leistungsgesetz zu betrachten ist. Infolgedessen sind im Eingliederungshilferecht „nur“ Besonderheiten und Abweichungen festgehalten. Grafisch kann man diesen Zusammenhang wie folgt abbilden: 1!=@><&A!& #!C +=&A8=!#!C<&A@?=8D! DBC /!&@2?!& 5=> .!?=&#!C<&A =5 9:. 70 O*,"R"@";A$* 2*$EC"V"9E9"?@ 33)-G)! "F.FUF 33BDXH BBD P*";98@&*@ ,*= 6"@&V"*,*=8@&;$"V(* ()*4 0*"V$EC* EU <=C*"9;V*C*@ 33)XG%+ "F.FUF 3BBB 0*"V$EC* E@ :"V,8@& 3#' "F.FUF 3BB1?R"EV* 0*"V$EC* 33#%G!) "F.FUF 3BB+ Abbildung entnommen aus: BTHG-Umsetzung – Eingliederungshilfe im SGB IX, Paritätischer Wohlfahrtsverband Bayern e. V., Walhalla Fachverlag, Regensburg 2021 Leistungen der Eingliederungshilfe 2 www.WALHALLA.de 47

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