Soldatenbeteiligungsrecht

Soldatenbeteiligungsrecht Andreas Gronimus 10., aktualisierWH $XʴDJH Kommentar zum Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) sowie zur Wahlverordnung (SBGWV) Mit Änderungen der BPersVG-Novelle 2021 und SVG-Novelle 2021 sowie SKBPRV 2022

Soldatische Mitbestimmung 'LH DNWXHOOH $XʴDJH GLHVHV 6WDQGDUGZHUNHV ELV ]XU $XʴDJH EHNDQQW DOV Ȩ'LH %HWHLOLJXQJVUHFKWH GHU 9HWUDXHQVSHUVRQHQ LQ GHU %XQGHVZHKUȦ EHLQKDOWHW HLQH DNWXHOOH .RPPHQWLHUXQJ GHV 6%* XQG 6%*:9 LQNOXVLYH GHU †QGHUXQJHQ GXUFK GLH 1RYHOOH GHV %XQGHVSHUVRQDOYHUWUHWXQJVJHVHW]HV GHU 1RYHOOH GHV 6ROGDWHQYHUVRUJXQJVJHVHW]HV VRZLH GHU 6WUHLWNU¦IWH %H]LUNVSHUVRQDOU¦WHYHURUGQXQJ 'DPLW VWHKHQ 9HUWUDXHQVSHUVRQHQ 3HUVRQDOU¦WHQ PLW 6ROGDWHQJUXSSH VRZLH 'LV]LSOLQDUYRUJHVHW]WHQ QHEHQ GHQ JHVHW]OLFKHQ *UXQGODJHQ DXVI¾KUOLFKH (UO¦XWHUXQJHQ ]XU UHFKWVVLFKHUHQ :DKUQHKPXQJ LKUHU %HIXJQLVVH XQG 3ʴLFKWHQ ]XU 9HUI¾JXQJ :HLWHUH ,QKDOWH • 5HFKWVSUHFKXQJV¾EHUVLFKW • (LQI¾KUXQJVHUODVV XQG 5HFKWVYHURUGQXQJ ]XP 6%* 6.%359 6%*:9 • 1HEHQJHVHW]H %Z.RRS* 6ROG** $UE6FK* 6*% ,; 'LHVHV %XFK JHK¸UW ]XP QRWZHQGLJHQ *HVFK¦IWVEHGDUI GHU MHGHU 9HUWUDXHQVSHUVRQ QDFK i $EV 6%* GXUFK GLH 'LHQVWVWHOOH EHUHLWJHVWHOOW ZHUGHQ PXVV Ȩ$XFK LP 6LQQH HLQHU :DIIHQJOHLFKKHLWȤ LVW HV XQYHU]LFKWEDU GDVV VLFK GLH 9HUWUDXHQVSHUVRQ RKQH JU¸¡HUHQ $XIZDQG GLHVHOEH .HQQWQLV ¾EHU GLH 5HFKWVODJH LQ HLQHP EHVWLPPWHQ )DOO YHUVFKDIIHQ NDQQ ZLH GHU 'LV]LSOLQDUYRUJHVHW]WH Ȧ Truppendienstgericht Nord, Beschluss vom 16.06.1998 – N 9 AV 2/98, in NZWehrr 1999, 172 Dr. jur. Andreas Gronimus ZDU ELV I¾U GHQ %HUHLFK $UEHLWVUHFKW XQG %HWHLOLJXQJVUHFKWH LP 'HXWVFKHQ %XQGHVZHKU9HUEDQG YHUDQWZRUWOLFK (U LVW DOV 5HFKWVDQZDOW GHU 6R]LHW¦W 'U %DGHQ .ROOHJHQ LQ %RQQ QLHGHUJHODVVHQ XQG YHU¸IIHQWOLFKW LQVEHVRQGHUH ]XP 3HUVRQDOYHUWUHWXQJVUHFKW GHV %XQGHV XQG HWOLFKHU /¦QGHU VRZLH ]XP 6ROGDWHQEHWHLOLJXQJVJHVHW] :,66(1 )ž5 ',( 35$;,6 ,6%1 ȵ >'@ • $.78(// • 35$;,6*(5(&+7 • 9(567†1'/,&+ www.WALHALLA.de

Nutzen Sie das Inhaltsmenü: Die Schnellübersicht führt Sie zu Ihrem Thema. Die Kapitelüberschriften führen Sie zur Lösung. Vorwort des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . 7 Abku¨ rzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 10 Einfu¨hrung zum SBG ................ 14 Amtliche Begru¨ ndung zum Entwurf des SBG 1991 ...................... 21 I Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) und weitere Dokumente .............. 29 II Kommentierung SBG . . . . . . . . . . . . . 147 III Rechtsverordnung zum SBG (SKBPRV und SBGWV) . . . . . . . . . . . 987 IV Erga¨ nzende Beteiligungsgesetze . . 1271 V Wichtige Nebengesetze fu¨ r Vertrauenspersonen . . . . . . . . . 1275 VI Fundstellennachweis . . . . . . . . . . . . 1321 VII Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . 1355 Schnell bersicht

Vorwort des Verfassers Am 22. Januar 1991 trat das Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) in Kraft. Es lo¨ ste die vorherigen §§ 35 bis 35b des Soldatengesetzes, das Vertrauensma¨ nnerwahlgesetz und einige erga¨ nzende Vorschriften ab. Das Gesetz schloss damit eine Etappe einer rechtspolitischen Debatte ab, deren erste wichtige Zwischenstation der Erlass der ZDv 10/2 F. 1982 gewesen war, und die letztlich seit Jahrzehnten mit wechselnder Intensita¨ t schwelt. Die Beteiligungsrechte der Soldaten wurden mit dem SBG einerseits als so bedeutsam anerkannt, dass sie in ein besonderes Gesetz ausgegliedert und „verselbsta¨ ndigt“ wurden. Andererseits ließ und la¨ sst sich kein hinreichend breiter politischer Konsens bilden, die Mitbestimmung in den Streitkra¨ ften ebenso in das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) als das Stammgesetz der betrieblichen Mitbestimmung im o¨ ffentlichen Dienst einzugliedern, wie dies 1974 fu¨ r Bundesgrenzschutz und Bundesnachrichtendienst mo¨ glich war. Dieser Kommentar zum Soldatenbeteiligungsgesetz mo¨ chte die Ta¨ tigkeit der Vertrauenspersonen und Personalra¨ te, aber auch der mit dem Soldatenbeteiligungsrecht befassten Vorgesetzten unterstu¨ tzen. Die Erla¨ uterungen enthalten die gesetzlichen Grundlagen und erga¨ nzenden Vorschriften. Auch die Parallelen zum fru¨ her geltenden Recht und zu den Beteiligungsgesetzen anderer Bereiche werden aufgezeigt. Der Gesetzgeber hat sich 1990 entschieden, vorerst beim bisherigen System des Nebeneinanders von Personalvertretungen und Vertrauensma¨ nnern (jetzt Vertrauenspersonen genannt) zu verbleiben. Das SBG sollte eine spu¨ rbare Sta¨ rkung der Beteiligungsrechte auch der Soldaten ermo¨ glichen, denen das Wahlrecht zur Personalvertretung vorenthalten ist. U¨ ber diesen Weg ließe sich trefflich streiten, nach etlichen Jahren Praxis mit dem SBG mehr denn je. Aber der Gesetzgeber hat entschieden. Damit muss dieses Gesetz von allen Beteiligten respektiert und im ta¨ glichen Dienst umgesetzt werden. Dabei muss Beteiligung nicht als fu¨ nftes Rad am Wagen, sondern als Mittel (gerade auch des erfolgreichen Vorgesetzten) begriffen werden, das innere Gefu¨ ge und das Betriebsklima durch aktive Einbindung der Soldaten und ihrer gewa¨ hlten Interessenvertretung zu fo¨ rdern. Hierin kommt zum Ausdruck, dass Beteiligungsrechte kein „Sand im Getriebe“ sind, sondern eines der grundlegenden Strukturprinzipien im Bereich Innere Fu¨ hrung. Dazu geho¨ rt es auch, Meinungsverschiedenheiten gelassen in den durch das SBG vorgesehenen Verfahren zu bereinigen. Es ist ein Missversta¨ ndnis, dass sich Gesetze am funktionierenden Normalfall orientieren. Wenn es zwischen Vorgesetzten und Vertrauenspersonen stimmt, braucht man kein Gesetz. Gesetze mu¨ ssen sich umgekehrt bewa¨ hren und Rechtsfrieden schaffen, wo es leider nicht stimmt. Anders gewendet: Beteiligungsrechte schu¨ ren keine Konflikte. Sie 7

nehmen lediglich zur Kenntnis, dass es Konflikte gibt, und stellen Verfahren zur Konfliktbereinigung bereit. Daher wird das SBG beteiligungsfreundlich erla¨ utert. Auch nach der SBG-Novelle 1997 stießen die Gerichte wieder an die organischen Leistungsgrenzen eines Gesetzes, das die grundlegenden Umwa¨ lzungen der Bundeswehr in den mehr als zwei Jahrzehnten seit 1994 nicht abgebildet hatte. Wesentlich umfassender wurde die Praxis der Mitbestimmung in der Bundeswehr nochmals vera¨ ndert durch die A¨ nderungen des BPersVG und des SBG, welche der Deutsche Bundestag im Sommer 2016 verabschiedet hat. Das SBG 2016 beinhaltet als Neufassung neben zahllosen formalen A¨ nderungen auch viele gravierende inhaltliche A¨ nderungen und Erweiterungen der soldatischen Beteiligungsrechte. Andere Fragen sind dagegen unvera¨ ndert streitig. Trotz guten Willens auf vielen Seiten war schon im Februar 2009 eine belangreiche „kleine SBG-Novelle“ an emotionalen Widersta¨ nden in der milita¨ rischen Fu¨ hrung gescheitert. Auch die 17. Wahlperiode 2009/2013 erwies sich insofern als verlorene Zeit. Doch schuf dies die Basis, als Teil des Koalitionsvertrages der 18. Wahlperiode nunmehr eine umfassende SBG-Novelle in Angriff zu nehmen. Auch diese verzo¨ gerte sich erheblich, trat dann aber doch im Sommer 2016 in Kraft. Freilich konnte sich der Gesetzgeber trotz der Aussetzung des Grundwehrdienstes 2011 und der damit verbundenen vo¨ lligen Umgestaltung von Personalko¨ rper und Strukturen der Bundeswehr hin zu einer Freiwilligenarmee wiederum nicht durchringen, einen grundsa¨ tzlichen Neuanfang zu wagen. Dies wird nun fu¨ r alle mit dem Gesetz befassten Personen und Stellen die gemeinsame Arbeitsgrundlage auf mittlere Sicht bleiben. Mit der Entscheidung fu¨ r eine Neufassung statt fu¨ r eine A¨ nderung erhielten sowohl im SBG als auch in der SBGWV fast alle Regelungen neue Bezeichnungen, teils wurde auch ohne Inhaltsa¨ nderung die Zitierung der Norm (in Paragraph oder Absatz) vera¨ ndert. Man mag solche modischen Fingeru¨ bungen begru¨ ßen oder bedauern. Die erste A¨ nderung des Gesetzes wurde schon Ende Ma¨ rz 2017 verabschiedet. Nach der Bundestagswahl 2017 wurde ein weiteres A¨ nderungspaket auf den Weg gebracht, welches der Steigerung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr dienen sollte. Mit dieser Begru¨ ndung wurden im August 2019 einige Mitbestimmungsrechte der Vertrauenspersonen gegenu¨ ber der Wehrverwaltung wieder beseitigt, ohne dass sie in der Praxis je erprobt worden wa¨ ren. Die Novellierung des BPersVG 2021 erforderte zwangsla¨ ufig, dass die Verweisungen im SBG auf das BPersVG auf dessen neue Za¨ hlung umgestellt werden musste. Das BMVg verweigerte sich der Aufgabe, die inhaltlichen A¨ nderungen fu¨ r Personalra¨ te, vor allem im Bereich der Gescha¨ ftsfu¨ hrung, auch fu¨ r die Vertrauenspersonen fruchtbar zu machen, dabei begu¨ nstigt durch das Schweigen der Berufsverba¨ nde hierzu. Auch aus dem„Digitalisierungspaket“ der BPersVG-Novelle wurde lediglich die Mo¨ glichkeit „virtueller“ Sitzungen in das SBG u¨ bernom8 Vorwort

men, jedoch den Vertrauenspersonen das Umlaufverfahren und die u¨ brigen Verbesserungen des BPersVG verweigert. Die vielfachen Schwachstellen des SBG, die auch in diesem Band aufgezeigt werden, bescha¨ ftigen die Gerichte weiter. Die Neuauflage wertet die Entwicklung der Rechtslage und Rechtsprechung bis Fru¨ hjahr 2023 aus. Es ist unvera¨ ndert ein besonderes Anliegen dieses Werkes, Mo¨ glichkeiten und Grenzen der Beteiligung auszuloten. Hierzu geho¨ rt auch, dass auf Reserven des SBG hingewiesen wird. Dies sind Erla¨ uterungen aus der Praxis fu¨ r die Praxis. Fu¨ r die Vertrauenspersonen ist dies eine Aufforderung, sich im Interesse ihrer Wa¨ hler zu engagieren. Fu¨ r die Vorgesetzten ist dies das Angebot, die im SBG angelegten Gestaltungsspielra¨ ume im Zusammenwirken mit der Interessenvertretung ihrer Soldaten zum beiderseitigen Nutzen auszufu¨ llen. Es wird daher besonderer Wert darauf gelegt, das bisher geltende Recht auszuwerten und dabei alte Regelungen wie auch Vera¨ nderungen herauszuarbeiten. Die Darstellung der rechtlichen Entwicklung der einzelnen Normen wurde leicht umgestaltet. Dabei werden die inzwischen im Internet frei zuga¨ nglichen Dokumente nachgewiesen. Irren ist menschlich. Daher sind unvera¨ ndert Hinweise auf Ecken, Kanten, Unscha¨ rfen oder Lu¨ cken aus dem Kreis der Benutzer willkommen und erwu¨ nscht. Wie immer habe ich den Mitarbeitern des Verlages in Lektorat und Produktion fu¨ r ihre vorbildliche Unterstu¨ tzung zu danken. Zu guter Letzt danke ich ein weiteres Mal meiner Familie fu¨ r die Geduld, mit der sie auch diese Neuauflage ertragen hat. Bonn Dr. Andreas Gronimus 9 Vorwort

Einf hrung zum SBG Die Beteiligungsrechte der Soldaten der Bundeswehr gehen zuru¨ ck auf die Wehrgesetzgebung des Jahres 1956, haben jedoch Wurzeln, die bis in das Jahr 1918 zuru¨ ckreichen. Die erste Regelung fu¨ r die Bundeswehr enthielt § 35 des Soldatengesetzes vom 19. 3. 1956, welches am 1. 4. 1956 in Kraft trat. In dieser ersten Fassung des § 35 SG war sowohl die Vertretung der Soldaten in der Truppe durch Vertrauensma¨ nner als auch die Beteiligung der Soldaten an den Personalvertretungen geregelt. § 35 SG wurde erga¨ nzt durch das Vertrauensma¨ nnerwahlgesetz vom 26. 7. 1957. Dieses regelte im Einzelnen Wahl und Rechtsstellung des Vertrauensmannes. Der Gesetzgeber konnte sich 1956 nicht mehr entschließen, die Personalvertretung des zivilen o¨ ffentlichen Dienstes des Bundes auch fu¨ r die Soldaten der Streitkra¨ fte zu u¨ bernehmen. Dabei hatte noch im Fru¨ hjahr 1955 der Bundestag mit § 81 BPersVG (F. 1955) einen „Platzhalter“ vorgesehen, der eine Personalvertretung auch fu¨ r Verba¨ nde „in Gemeinschaftsunterku¨ nften“ (sowohl BGS als auch die noch zu gru¨ ndende Bundeswehr) vorsah. Bereits ein Jahr spa¨ ter waren die restaurativen Stro¨ mungen in der Generalita¨ t stark genug, dieses Modell politisch zu blockieren. Da andererseits auch eine Interessenvertretung der Soldaten als erforderlich erschien, wurde mit dem Vertrauensmann auf eine Einrichtung fru¨ herer deutscher Armeen zuru¨ ckgegriffen. U¨ bersehen wurde dabei, dass der Vertrauensmann auf vordemokratische Institutionen zuru¨ ckgeht. Der Vertrauensmann findet sich erstmals im Befehl Nr. 1 des Generalmajors Maerker vom 14. 12. 1918. Dieser hatte die Wahl von Vertrauensma¨ nnern als Mittler zwischen Vorgesetzten und Untergebenen angeordnet. Wichtig hieran ist jedoch, dass Maerker in den Wirren des untergehenden Kaiserreiches ein Freikorps befehligte. Daher hatten die Soldaten auch das Recht, den Vorgesetzten bei Untragbarkeit abzusetzen. Der Vertrauensmann hatte die besondere Funktion, derartigen Abwahlen vorzubeugen. Damit steht der Vertrauensmann der Freikorps in einer engen Beziehung zu den Soldatenra¨ ten jener Zeit (im Einzelnen streitig: vgl. Demandt, NZWehrr 1989, 145, und Schablowsky, S. 38 ff.). Fu¨ r die U¨ bergangszeit bis zur Schaffung der gesetzma¨ ßigen Organe der Weimarer Republik waren sie durch die jeweiligen Regierungen auch mit der Ausu¨ bung der o¨ ffentlichen Gewalt betraut worden. So wird gesagt, dass „der Vertrauensmann keine genuin parlamentarisch-demokratische Institution ist und die Voraussetzung fu¨ r seine Einfu¨ hrung in die Bundeswehr insoweit auch faktisch nicht vorlag“ (Demandt, NZWehrr 1989, 145, 146). Gleichwohl hat der Gesetzgeber 1956 den durch die Reichswehr u¨ bernommenen Vertrauensmann der Freikorps u¨ bernommen in dem Glauben, damit die demokratische Tradition deutscher Streitkra¨ fte in der Weimarer Republik zu dokumentieren (ebenso Stauf, SBG, Einl Rz 3; zum Vertrauensmann der Reichswehr vgl. Rohde, in: Klein, S. 8 ff., Walz, NZWehrr 1991, 33 ff.). Diese Entscheidung machte 14 1 2 3 4 5

den Vertrauensmann ohne Ru¨ cksicht auf seine Vorgeschichte zu einer demokratisch legitimierten Interessenvertretung der Soldaten unter der Geltung des Grundgesetzes. Eine erste, wenn auch fu¨ r die Rechtsstellung der Vertrauensma¨ nner unerhebliche A¨ nderung erfuhr die Rechtslage durch das A¨ nderungsgesetz vom 25. 4. 1975. Dieses Gesetz enthielt die Abtrennung der Vorschriften u¨ ber die Personalvertretung der Soldaten aus § 35 (vgl. dazu Behnel/Sommer, PersV 1978, 100). Sie wurden stattdessen in einem besonderen § 35a SG verankert. Sehr bald stellte sich heraus, dass damit dem rechtspolitischen Handlungsbedarf nicht Genu¨ ge getan war (vgl. Walz, PersV 1982, 89; Bierwirth/Kreuels, PersV 1982, 497). 1980 ku¨ ndigte die Bundesregierung eine Sta¨ rkung der Rechtsstellung des Vertrauensmannes an. Dies geschah, vermeintlich fu¨ r eine kurze U¨ bergangszeit, 1982 vorab durch die Inkraftsetzung der Erstfassung der ZDv 10/2. Zugleich wurde in der Administration des BMVg das Gesetzeskonzept des spa¨ teren SBG entwickelt mit dem politischen Ziel, die Soldaten aus den Personalvertretungen herauszuhalten (vgl. Walz, PersV 1982, 89). Nach kurzer Ruhe forderte der Deutsche Bundeswehr-Verband seit 1987 die Einbeziehung aller Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit in den Anwendungsbereich des BPersVG (vgl. wiederum Walz, PersV 1988, 329 und Bierwirth/Kreuels, PersV 1988, 518). Ein Hearing des Verteidigungsausschusses im Juni 1989 besta¨ tigte den erheblichen Handlungsbedarf (Stenographisches Protokoll Nr. 11/77 vom 14. 6. 1989). Hierdurch sah sich die Bundesregierung schließlich veranlasst, 1990 den Entwurf fu¨ r ein „Beteiligungsgesetz“ einzubringen (BT-Drs 11/7323). Dies nahm die Fraktion der SPD zum Anlass, ihre damaligen rechtspolitischen Vorstellungen in einem alternativen Gesetzentwurf niederzulegen (BT-Drs 11/7471). Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen entschied sich der Deutsche Bundestag (BT-Drs 11/8336 neu), dem Regierungsentwurf mit 13 erheblichen A¨ nderungen zuzustimmen. In dieser gea¨ nderten Form wurde das Beteiligungsgesetz am 22. 1. 1991 verku¨ ndet und trat an diesem Tag auch in Kraft (U¨ berblick bei Walz, NZWehrr 1991, 1 ff.; Fritzsche, PersV 1993, 348 ff.; Darstellung der politischen Debatte zum SBG 1991 bei Wolf/Ho¨ ges, Einl SBG a. F. Rz 14–34). Das SBG 1991 enthielt im Wesentlichen bekannte Rechtszusta¨ nde. Viele Neuerungen erweisen sich als gesetzliche Festschreibung von Vorschriften der Erstfassung der ZDv 10/2. Allerdings hatten sich bedeutsame A¨ nderungen ergeben, insbesondere in Personal- und Disziplinarangelegenheiten sowie in Fragen des Dienstbetriebes. Die Qualita¨ t der Beteiligungsrechte wurde im Bereich Betreuung und Fu¨ rsorge gesteigert. Hier bestanden allerdings auch erhebliche Lu¨ cken. Die Bundesregierung hatte als Ziel formuliert, die Stellung der Vertrauensperson zu sta¨ rken und ihre Beteiligung qualitativ und quantitativ zu verbessern. In den Beratungen des Verteidigungsausschusses setzte sich die Erkenntnis durch, dass 15 6 7 8 9 10 11 12 Einf hrung zum SBG

der Regierungsentwurf nicht geeignet war, diesem Ziel gerecht zu werden. Im Ergebnis kam ein erster, zaghafter Schritt hin zu zeitgema¨ ßen Beteiligungsrechten der Soldaten heraus (a¨ hnlich Stauf 1991, Einfu¨ hrung, S. 27). Nach wie vor blieb es jedoch dabei, dass die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen mit den Beteiligungsrechten der u¨ brigen Bescha¨ ftigten im o¨ ffentlichen Dienst nicht anna¨ hernd Schritt hielten. Das SBG 1991 wies einen Beteiligungsstandard auf, der in etwa dem BGS-PersVG 1965 entsprach (Schablowsky, S. 74). Immerhin wurde auch von Vertretern der CDU/CSU und FDP erstmals das politische Ziel formuliert, die Beteiligungsrechte der Soldaten nach dem Vorbild der Personalvertretung weiterzuentwickeln. Damit erfuhren Forderungen, der Vertrauensmann du¨ rfe nicht nach Art einer Personalvertretung „aufgewertet“ werden (so etwa Demandt, NZWehrr 1989, 145, 153), eine klare Absage (Stauf, a. a. O.). Nach mehrja¨ hrigen Gespra¨ chen mit DBwV und O¨ TV erhob die milita¨ rische Fu¨ hrung am 13. 10. 1995 eine Milita¨ rische Forderung zur A¨ nderung des SBG. Dann kam es wa¨ hrend der Ressortabstimmung zu massiven Widersta¨ nden, die sich in dem verwa¨ sserten Regierungsentwurf vom 26. 6. 1996 niederschlugen (BT-Drs 13/5740). Jedoch stellte der Verteidigungsausschuss im Wesentlichen den Ressortentwurf BMVg durch vier A¨ nderungen wieder her. Unvera¨ ndert schob und schiebt das BMVg Vorgesetzten und Vertrauenspersonen vor Ort die Aufgabe zu, in eigener Verantwortung praktikable Verfahrensformen fu¨ r dieses Gesetz zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen (ZDv A-1472/1 Nr. 1004) und verweigert ihnen zugleich durch Nichtbereitstellung von Ausbildungskapazita¨ ten die dafu¨ r notwendige Ausbildung. Die Vorgesetzten und Vertrauenspersonen haben daher nach wie vor die Aufgabe, in der Praxis nicht umsetzbare Vorschriften des SBG zu benennen und gangbare Lo¨ sungen aufzuzeigen. Ungeachtet dieser Widrigkeiten war das 1. SBG-A¨ nderungsgesetz ein Quantensprung im Bereich der Inneren Fu¨ hrung (Einfu¨ hrungen bei Rieger, NZWehrr 1997, 53 – aus Sicht BMVg – und Gronimus, BWV 1997, 153). Das SBG kommt damit in wichtigen Punkten in Reichweite des „Qualita¨ tsziels“ BPersVG. § 6 SBG 1997 u¨ bernahm im Kern §§ 44 und 46 BPersVG (F. 1974; nun: §§ 46–48, §§ 50–54 F. 2021); die Verdoppelung der Amtszeit (§ 9 SBG 1997) auf zwei Jahre sorgte u¨ ber die la¨ ngere Stehzeit fu¨ r professionellere Vertrauenspersonen, denen nun auch ein Akteneinsichtsrecht garantiert wird. Im Dienstbetrieb wurden umfangreiche Mitbestimmungsrechte geschaffen, bei Betreuung und Fu¨ rsorge deutlich erweitert. Diese Verbesserungen kommen auch den Versammlungen zugute. Ebenso erhielt auch der GVPA Mitbestimmungsrechte. Die schiere Masse und Qualita¨ t der Verbesserungen stellt Vertrauenspersonen, Personalra¨ te und Vorgesetzte seither vor Herausforderungen. Sie stehen seither – wie immer schon die Personalvertretungen – vor der Aufgabe, durch Priorisierung von Beteiligungsfa¨ llen aus der Vielzahl mo¨ glicher Aktivita¨ ten und Initiativen diejenigen herauszugreifen und intensiv zu verfolgen, die aus Sicht ihrer Wa¨ hler 16 13 14 15 16 17 Einf hrung zum SBG

besondere Relevanz besitzen. Hierbei waren sie stets strukturell benachteiligt dadurch, dass die Arbeitsbedingungen, welche den Personalvertretungen und Schwerbehindertenvertretungen in der Truppe stets zu Gebote standen (Bu¨ ro, Personal, Fachliteratur, Freistellungen), den Vertrauenspersonen der gleichen Dienststelle versagt wurden. Hinzu kommen muss aber auch die Einsicht, dass ebenso wie bei Personalra¨ ten eine wortwo¨ rtliche Anwendung des Gesetzes und Bearbeitung sa¨ mtlicher Beteiligungsvorga¨ nge die verfu¨ gbare Arbeitszeit sprengen wu¨ rde und diese Priorisierung daher auch keine Pflichtverletzung ist, wenn sie sachgerecht erfolgt. Ebenso wichtig ist dabei die weitere Gescha¨ ftsgrundlage, dass die Priorisierung der Vertrauensperson obliegt, und nicht etwa Vorgesetzte entscheiden ko¨ nnen, welche Beteiligungsvorga¨ nge sie fu¨ r mehr oder weniger wichtig halten. Diese Wechselwirkung und Aufgabenverteilung ist Ausfluss der nunmehr vorgeschriebenen vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 (§ 2 Abs. 1 a. F.) BPersVG. Schon la¨ nger wird das SBG selbst von Juristen des BMVg als verfassungswidrige Diskriminierung der Berufs- und Zeitsoldaten gegenu¨ ber den Polizeivollzugsbeamten des Bundes angesehen (Schablowsky, S. 127 ff.; a. A. BVerwG vom 23. 9. 2004 – 6 P 2.04). Nach Ansicht der Gerichte ist die Grenze gesetzgeberischer Willku¨ r noch nicht u¨ berschritten; das BVerwG bezeichnet die Verweisung von Soldaten auf eine Vertretung durch Vertrauenspersonen indes als „beteiligungsrechtliche Benachteiligung der Berufs- und Zeitsoldaten“ (BVerwG vom 29. 10. 2002 – 6 P 5.02). Das BVerwG hat daraus allerdings inzwischen den Schluss gezogen, die Personalvertretung der Soldaten nach § 49 SBG 1997 als gesetzlichen Regelfall aufzufassen und den Wahlbereichskatalog des § 2 Abs. 1 SBG 1997 als restriktiv auszulegende Spezialnorm anzuwenden (dazu na¨ her bei §§ 4 sowie 60 SBG; abl. Wolf/Ho¨ ges, SBG a. F. Einl Rz 42). Unstreitig hatte 1997 das soldatische Stammpersonal Zugang zur Personalvertretung erhalten und schon dadurch die soldatische Wa¨ hlerschaft der Personalvertretung fast verdoppelt. Die seit 2002 ergangene Rechtsprechung des BVerwG hat zwischenzeitlich mehr als 20 000 weiteren Soldaten Zugang zur Personalvertretung verschafft. Damit erhielten diese die robusteren Arbeitsmo¨ glichkeiten der Personalvertretung, vor allem Gremienstruktur, Stufenvertretung und eine auf vier Jahre erho¨ hte Amtszeit. Deshalb sind nicht von ungefa¨ hr vielfach die Soldatenvertreter in den Personalvertretungen „Tra¨ ger des Gefechts“ in den gerichtlichen Verfahren um die Kla¨ rung der Beteiligungsrechte der Soldaten. Ein Staat, der seine Armee in lebensgefa¨ hrliche Einsa¨ tze schicken mo¨ chte, muss freilich aufho¨ ren, seine Soldaten im eigenen Haus zu diskriminieren. Die Aussetzung des Grundwehrdienstes zum 1. 7. 2011 hat das wesentliche Argument fu¨ r den rechtspolitischen „Sonderweg SBG“ beseitigt. Die Herstellung von Vertretungsstrukturen fu¨ r eine Freiwilligenarmee, ausgerichtet am Maßstab der Vertretungen in den mobilen Einsatzverba¨ nden der Bundespolizei (die auf dieser Grundlage Atommu¨ lltransporte absichern, Antiterror-Einsa¨ tze der GSG 9 17 18 19 20 Einf hrung zum SBG

und Einsa¨ tze zum Schutz deutscher Einrichtungen im Ausland durchfu¨ hren), steht damit wieder und weiter auf der Tagesordnung einer angemessenen Reformbegleitgesetzgebung. Nachdem in der 17. Wahlperiode zeitweise ein als „Modernisierung“ deklariertes Vorhaben zur Absenkung der soldatischen Beteiligungsrechte im BMVg diskutiert und entwickelt worden war, nahm sich der Koalitionsvertrag der ab 2013 amtierenden „Großen Koalition“ fu¨ r die 18. Wahlperiode eine Novellierung des SBG, ausgerichtet am Ziel eines unter den Bedingungen einer Freiwilligenarmee und der demografischen Entwicklung attraktiven und konkurrenzfa¨ higen Arbeitgebers Bundeswehr zum Ziel. Gleichwohl setzte man hierfu¨ r auf den Vorarbeiten der 17. Wahlperiode auf. So kam eine umfassende U¨ berarbeitung des SBG zustande, die in sich die pragmatischen Ansa¨ tze der „kleinen Novelle“ aus 2008/ 2009, die restaurativen Tendenzen der Jahre 2011/ 2013 und die Attraktivita¨ tsagenda der ab 2013 amtierenden Leitung vereinigt. Dies fu¨ hrt auch zu erheblichen Wertungswiderspru¨ chen und inkonsistenten Regelungen. Hinzu kam auf Betreiben des Justizministeriums der Entschluss, das Gesetz durchgehend sprachlich zu „gendern“ und deshalb auch komplett mit neuen durchlaufenden Nummern durchzuza¨ hlen (Gesetzentwurf in BT-Drs 18/8298; Bericht und Beschlussempfehlung in BT-Drs 18/8735). Eine Gescha¨ ftsgrundlage der Neufassung 2016 bestand darin, die rechtliche Demarkationslinie zwischen Wahlbereichen der Vertrauenspersonen und der Personalvertretungen nicht anzutasten; dadurch bleiben der Truppe etwa die 2007 gerichtlich kreierten „fu¨ r Soldaten teil-personalratsfa¨ higen“ Dienststellen erhalten. Hingegen bemu¨ hen sich die Regelungen zur Gescha¨ ftsfu¨ hrung und Rechtsstellung der Vertrauenspersonen (§§ 8 bis 18 SBG 2016) sichtlich, die ungerechtfertigten Diskriminierungen der Vertrauenspersonen im Bereich der Arbeitsbedingungen im Verha¨ ltnis zu den Personalra¨ ten abzubauen. Auch halten nun Gewerkschaftsrechte Einzug in die Arbeit der Vertrauenspersonen (§ 2 Abs. 1 SBG 2016). Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen werden durch die fo¨ rmliche U¨ bernahme der „allgemeinen Aufgaben“ aus dem BPersVG (§ 19 Abs. 3 SBG 2016), die Sta¨ rkung im Bereich Personalmaßnahmen (§ 24 SBG 2016) und die Erweiterung der Mitbestimmung im Bereich Dienstbetrieb und Berufsfo¨ rderung (§§ 25, 27 SBG 2016) nochmals deutlich gesta¨ rkt. Die bisherigen „beteiligungsfreien“ Hierarchieebenen zwischen Bataillon/Regiment und den Inspekteuren werden durch die Einrichtung neuer VP-Versammlungen auch auf den Ebenen Brigade und Division behoben (§ 34 SBG 2016). Als Konsequenz der Ausgliederung der Inspekteure aus dem Ministerium 2012 werden dem GVPA (und den Bezirkspersonalra¨ ten) nun Vertrauenspersonenausschu¨ sse (VPA) bei den Inspekteuren zur Seite gestellt (§ 37 SBG 2016). Die bisher im Gesetz verstreuten Einschra¨ nkungen der Beteiligung werden in einem gesonderten Kapitel des SBG zusammengefu¨ hrt (§§ 53 bis 58 SBG 2016). Schließlich wurde die Regelung der soldatischen Personalvertretungen eher zaghaft modernisiert, was aber durchaus erhebliche Rechtsa¨ nderungen wie auch die Schließung bisheriger Vertretungs18 21 22 Einf hrung zum SBG

lu¨ cken zum Inhalt hatte (§§ 59 bis 63 SBG 2016). Diese Fu¨ lle neuer Regelungen wird sich wiederum in der Praxis einer in steter Vera¨ nderung begriffenen Bundeswehr bewa¨ hren mu¨ ssen. Die Wahlverordnung wurde erst mit einer Verzo¨ gerung von fast einem Jahr Mitte Juni 2017 in Kraft gesetzt. Sie behilft sich vielfach statt mit Verweisungen mit umfa¨ nglichen Textdubletten, leider auch zu Sachverhalten, die nicht deckungsgleich sind. Auch die Wahlrechtsa¨ nderungen des SBG sind in der neuen SBGWV 2017 nur unvollsta¨ ndig umgesetzt, so dass teilweise unter dem Dach des neuen Gesetzes mit diesem nicht harmonisierende tradierte Regelungen des alten Rechts weitergefu¨ hrt werden. Es bleibt abzuwarten, ob das BMVg sich bereit findet, in absehbarer Zeit eine auf das neue Gesetz abgestimmte Wahlverfahrensreform nachzureichen. Die verfehlte Neigung des BMVg, untergesetzliche Organisationsformen im Gesetz nachzuzeichnen, erzwang bereits im Ma¨ rz 2017 eine erste A¨ nderung des novellierten SBG. Immerhin wurde im Januar 2019 eine Neufassung auch der ZDv A-1472/1 in Kraft gesetzt. Im Mantel einer vermeintlichen „Sta¨ rkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr“ gelang es dann im August 2019 der Wehrverwaltung, einige 2016 eingefu¨ hrte Mitbestimmungsrechte der Vertrauenspersonen bei Verwaltungsakten faktisch wieder abzuschu¨ tteln, nachdem deren Anwendung seit 2016 boykottiert worden war. Parallel dazu orientiert sich die Rechtsprechung des BVerwG zunehmend an den Referenznormen des BPersVG, um die 2016 geschaffenen neuen Rechte der Vertrauenspersonen auszulegen (BVerwG vom 18. 12. 2019 – 1 WRB 7.18). Die distanzierte Haltung des Ministeriums zum eigenen Gesetz zeigt sich auch daran, dass im Mai 2020 den in Sitzungsbetrieb und Wahlverfahren mit der CoViD-19-Pandemie ka¨ mpfenden Personalra¨ ten etliche Sonderregelungen zugestanden wurden (wie Sitzung als Videokonferenz), das BMVg dies aber bei den VP-Gremien fu¨ r „entbehrlich“ erkla¨ rte. Im Koalititonsvertrag 2018 wurde eine grundlegende Neufassung des BPersVG angeku¨ ndigt, auch diese mit Neuza¨ hlung der Paragraphen; diese trat kurz vor der Bundestagswahl 2021 in Kraft (Gesetz vom 9. 6. 2021, BGBl. I S. 1614), was dann auch Folgea¨ nderungen bei den Verweisungen im SBG erforderte. Diese zuna¨ chst nur redaktionellen A¨ nderungen sind in Art. 3 des Gesetzes enthalten, haben aber auch inhaltliche Wirkung im SBG, soweit die Bezugsnormen im BPersVG substanzielle A¨ nderungen erfahren haben. Erst in den Ausschussberatungen entschloss sich der Bundestag, die Video- und Telefonkonferenzen als Dauerrecht in § 38 Abs. 3 BPersVG zu u¨ bernehmen; darauf wurde diese Regelung dann auch fu¨ r die VP-Gremien als § 36 Abs. 7 SBG u¨ bernommen. Der gleichzeitigen Zulassung von Beschlu¨ ssen im Umlaufverfahren (§ 39 Abs. 4 BPersVG) hat sich das BMVg verweigert, obwohl gerade die VP-Versammlungen der Großverba¨ nde dieses Instrument noch dringender beno¨ tigt ha¨ tten als die Personalra¨ te. Ebenso unterblieb eine U¨ bertragung der inhaltlichen Modernisierungen im BPersVG in das 19 23 24 25 26 Einf hrung zum SBG

SBG; sie wurde nicht einmal debattiert, wozu das Schweigen der Berufsverba¨ nde in diesem Punkt erheblich beitrug. Absehbar hat damit das Recht der Soldatenbeteiligung noch nicht seinen Endzustand erreicht, zumal es nicht (oder nicht mehr) als Kernbestandteil der Inneren Fu¨ hrung und einer Armee in der Demokratie wahrgenommen wird. Im Fokus steht aktuell die Wiederkehr u¨ berwunden geglaubter Bedrohungslagen und der sicherheitspolitische Zwang zur Neuausrichtung hin auf Landes- und Bu¨ ndnisverteidigung wie vor 1990 einschließlich der Wiederherstellung einer Territorialverteidigung. 20 Einf hrung zum SBG 27

Amtliche Begr ndung zum Entwurf des SBG 1991 – Auszug aus: BT-Drs 11/7323 – A. Allgemeines I. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt die Beteiligung der Soldaten – bislang in den §§ 35, 35a und 35b des Soldatengesetzes (SG) – teilweise grundlegend neu. Er betrifft damit eine Angelegenheit der Verteidigung; fu¨ r seinen Erlaß ist nach Artikel 73 Nr. 1 des Grundgesetzes – GG – der Bund ausschließlich zusta¨ ndig. II. 1. Rang und Funktion der Beteiligung in den Streitkra¨ ften basieren auf dem aus dem Menschenbild des Grundgesetzes abgeleiteten Leitbild des „Staatsbu¨ rgers in Uniform“ (vgl. § 6 SG). Der Soldat soll im Rahmen der Inneren Fu¨ hrung die gesellschaftliche Werteordnung, die er zu verteidigen hat, auch im ta¨ glichen Dienst erleben. Dies erfordert seine unmittelbare Beteiligung. Beteiligung ist deshalb nicht nur ein juristischer Begriff, sondern sie fo¨ rdert ebenso die Mu¨ ndigkeit und Selbstverantwortung aller Soldaten. 2. Die Einrichtung der Vertrauensperson in den Streitkra¨ ften hat eine herausgehobene Bedeutung im Rahmen der Konzeption der Inneren Fu¨ hrung. Sie hat ihre vornehmliche Aufgabe als Mittler zwischen dem Disziplinarvorgesetzten und den Soldaten ihrer Wa¨ hlergruppe, deren Interessen sie unmittelbar perso¨ nlich erfa¨ hrt und vertritt. Ihrer Ta¨ tigkeit kommt damit große Bedeutung fu¨ r die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Erhaltung des kameradschaftlichen Vertrauens und das innere Gefu¨ ge der Streitkra¨ fte zu. Die in den Streitkra¨ ften bewa¨ hrte Institution des Vertrauensmannes – nunmehr Vertrauensperson – beru¨ cksichtigt als eigensta¨ ndige Beteiligungsform vor allemdie – rechtliche und tatsa¨ chliche Stellung des Soldaten, insofern sie sich grundlegend von den Gegebenheiten in anderen Bereichen des o¨ ffentlichen Dienstes unterscheidet, – auftragsorientierte Organisations- und Befehlsstruktur der Streitkra¨ fte und deren notwendige Funktionsprinzipien, – allen Soldaten gemeinsame Interessenlage, der grundsa¨ tzlich eine einheitliche Form der Vertretung entsprechen soll, – Besonderheiten in Ausbildung und Verwendung. 3. Ausgehend von dieser Grundlage ist es das Ziel des Gesetzentwurfs, einerseits die Stellung der Vertrauensperson zu sta¨ rken, andererseits die Beteiligungstatbesta¨ nde 21

– in Personalangelegenheiten, – in Disziplinar- und Beschwerdeangelegenheiten, – in Fragen des Dienstbetriebes, – in Fragen der Fu¨ rsorge und Betreuung, – bei Auszeichnungen und fo¨ rmlichen Anerkennungen, – in Fragen des außerdienstlichen Gemeinschaftslebens zu erweitern. So erha¨ lt die Vertrauensperson ein Mitbestimmungsrecht in bestimmten Betreuungs- und Fu¨ rsorgeangelegenheiten. Ihr wird ein Anho¨ rungsrecht bei bestimmten Personalmaßnahmen eingera¨ umt. Sie erha¨ lt weiteren Einfluß auf die Ausgestaltung des Dienstbetriebes und ein gesetzliches Beteiligungsrecht im Verfahren einer fo¨ rmlichen Anerkennung, Auszeichnung und in Disziplinarverfahren. Schließlich wird ihre Beteiligung im Beschwerdeverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung gesetzlich geregelt. III. Der Gesetzentwurf regelt umfassend die Beteiligungsrechte der Soldaten. Bislang fanden sich organisatorische Regelungen, insbesondere zu den Rechten und Pflichten der Vertrauensperson, in den verschiedenen Regelungen des Soldatengesetzes, Vertrauensma¨ nnerwahlgesetzes – VMWG –, der Wehrbeschwerdeordnung – WBO – und der Wehrdisziplinarordnung – WDO. Diese Regelungen sind in den Gesetzentwurf gro¨ ßtenteils u¨ bernommen worden, da sie sich bewa¨ hrt haben. Soweit erforderlich, wurden an den entsprechenden Stellen dieser Gesetze Verweisungsnormen aufgenommen. IV. Ein Kernpunkt des Gesetzentwurfes ist die Einrichtung von Versammlungen der Vertrauenspersonen auf Standort- und Verbandsebene. Damit soll erstmals den Vertrauenspersonen Gelegenheit gegeben werden, sich am Willensbildungsprozess dort zu beteiligen, wo beteiligungsfa¨ hige Entscheidungen getroffen werden. Der Entwurf beru¨ cksichtigt dabei, daß eine Vielzahl von Entscheidungen, die die Soldaten direkt betreffen, in die Zusta¨ ndigkeit von Vorgesetzten fallen, zu denen die Vertrauensperson bislang gesetzlich keinen Zugang hatte. 22 Amtliche Begr ndung zum Entwurf des SBG 1991

Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) und weitere Dokumente 1. Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) .........................30 2. Generalinspekteurbrief 1997 . . . . . . . . . . 64 3. Einfu¨ hrungserlass SBG 2016 . . . . . . . . . . . 66 4. Generalinspekteurbrief 2019 . . . . . . . . . . 72 5. Soldatische Beteiligung in der Bundeswehr (A-1472/1, Version 2) . . . . . 74 I

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