M A N A G E M E N T S O Z I A L E S & G E S U N D H E I T BLAUE R E I HE lagfa bayern e.V. KOMPETENT UND SICHER IM FREIWILLIGENMANAGEMENT Ein Handbuch aus der Praxis für die Praxis
www.fokus-sozialmanagement.de Die lagfa bayern e.V. ist der Zusammenschluss der rund 120 Freiwilligenagenturen, Freiwilligenzentren und Koordinierungszentren Bürgerschaftliches Engagement in Bayern. Gemeinsam mit ihren Mitgliedseinrichtungen setzt sie sich aktiv für die Förderung des freiwilligen Engagements in Bayern ein. Sie macht sich stark für gute Rahmenbedingungen im Engagement und versteht sich als Fürsprecherin für das Ehrenamt auf den verschiedenen gesellschaftspolitischen Ebenen. Kompetent und sicher im Freiwilligenmanagement Ein Handbuch aus der Praxis für die Praxis Freiwilliges Engagement bereichert unsere Gesellschaft und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Doch wie gelingt eine erfolgreiche Arbeit mit Freiwilligen? Und welche Rahmenbedingungen sind wichtig, um Engagement nachhaltig zu gestalten? Dieses Handbuch bietet praxisnahe Antworten und fundierte Einblicke in die Zusammenarbeit mit Freiwilligen. Anschaulich gehen Expert:innen aus dem Bereich des freiwilligen Engagements auf zentrale Themen ein: von Haltung und Rahmenbedingungen über den gesamten Engagement-Zyklus bis hin zu Management-Aspekten. Auch verschiedene Engagementformate wie digitales Engagement, Corporate Volunteering oder Patenschaften werden eingehend beleuchtet. Der Fokus des Handbuchs liegt dabei auf der Anwendbarkeit: Aus der Praxis für die Praxis. Mit zahlreichen Best-Practice-Beispielen und praktischen Informationen ist dieses Buch eine wertvolle Unterstützung für alle, die sich im Freiwilligenmanagement engagieren – ob in Vereinen, sozialen Organisationen oder in der kommunalen Arbeit. Ein praxisnahes Nachschlagewerk für alle, die Freiwillige gewinnen, begleiten und motivieren möchten! ISBN 978-3-8029-5427-6 € 37,95 [D] € 39,10 [A]
Vorwort Vorwort Bürgerschaftliches Engagement ist ein wichtiges Fundament für eine stabile demokratische Gesellschaft. Freiwillige bringen Zeit, Wissen, Fähigkeiten und Begeisterung für eine Sache ein. Mit ihrem Engagement prägen sie das gesellschaftliche Miteinander nachhaltig und tragen dazu bei, dass Zusammenhalt, Solidarität und gegenseitige Unterstützung gelebt werden. Um dieses wertvolle Engagement nachhaltig zu fördern und zu stärken, bedarf es eines professionellen und wertschätzenden Freiwilligenmanagements, das über die bloße Koordination von Helfer:innen hinausgeht. Es geht darum, Freiwillige gezielt anzusprechen, sie zu motivieren, in ihrer Arbeit zu begleiten und ihre individuellen Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen. Ein gutes Freiwilligenmanagement erkennt die Bedürfnisse der Freiwilligen, schafft eine offene, wertschätzende Kultur und sorgt dafür, dass sich jede:r Einzelne willkommen und gebraucht fühlt. Bisher gab es nur wenige Leitfäden, die diese Themen allumfassend behandelten. Die lagfa bayern ist der Dach- und Fachverband für Freiwilligenagenturen in Bayern. Unser Ziel ist die Förderung des freiwilligen Engagements in all seinen Facetten. Deshalb setzen wir uns für die Professionalisierung des Freiwilligenmanagements ein. Dieses Handbuch ist dafür ein wichtiger Meilenstein. Es orientiert sich an den Herausforderungen und Bedürfnissen derjenigen, die täglich mit Freiwilligen arbeiten – sei es in Freiwilligenagenturen, in Vereinen, Verbänden, gemeinnützigen Organisationen oder Kommunen. Deshalb wurden die Kapitel auch mit Praxistipps und konkreten Hilfestellungen für den Alltag in Form von Checklisten und Vorlagen angereichert. Das Ziel ist es, die Arbeit mit Freiwilligen zu erleichtern, sie professioneller zu gestalten und die Zusammenarbeit für alle Beteiligten bereichernd zu machen. Das Handbuch bietet eine breite Palette an Themen, die für die Arbeit mit Freiwilligen relevant sind. Neben allgemeinen Fakten zum Engagement und zu aktuellen Entwicklungen werden anhand des Freiwilligenzyklus wichtige Stationen des Freiwilligenmanagements beschrieben und durch übergeordnete Managementthemen wie Projektorganisation, Finanzierung, Qualitätsentwicklung oder Öffentlichkeitsarbeit ergänzt. Zusammen bieten diese einen umfassenden Werkzeugkasten für wirkungsvolles Freiwilligenmanagement. In einem weiteren Teil werden besondere Engagementformate vorgestellt und aufgezeigt, welche Herausforderungen sich dafür jeweils im Freiwilligenmanagement ergeben. Unser Ziel ist es, Sie als Leser:in dabei zu unterstützen, Freiwillige für Ihre Organisation zu begeistern, sie willkommen zu heißen und gemeinsam eine gute Zusammenarbeit aufzubauen. Wir möchten dazu beitragen, dass das Bürgerschaftliche Engagement weiter gestärkt wird und dass Freiwillige sich in ihrer Arbeit wertgeschätzt und unterstützt fühlen. Bürgerschaftliches Engagement ist kein Selbstläufer. Es braucht Menschen, die sich einbringen, und Strukturen, die dieses Engagement fördern und unterstützen. Nur gemeinsam können wir die Herausforderungen unserer Zeit meistern und unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten. Wir hoffen, dass dieser Leitfaden Ihnen wertvolle Anregungen für Ihre tägliche Arbeit bietet und Sie daraus viele praktische Tipps für Ihren Alltag mitnehmen können. Laura Eder und Eva Kurfer, Geschäftsführerinnen der lagfa bayern e. V. Sonja Geigenberger, Vorständin der lagfa bayern e. V. www.WALHALLA.de 15
1. Strategisches Freiwilligenmanagement als Basis für gelingendes Engagement 1. Strategisches Freiwilligenmanagement als Basis für gelingendes Engagement Doris Rosenkranz Strategisches Freiwilligenmanagement folgt einer Überzeugung, die ein überaus wertschätzendes Menschenbild vertritt: Mit dem Engagement im Ehrenamt machen Menschen ein kostbares Geschenk. Sie schenken ihre Zeit einem Verein, einer Organisation oder einem Anliegen, das ihnen wichtig ist. Sie tun dies freiwillig, u. a., weil sie einen Bedarf sehen oder Freude daran finden. Und sie tun dies zu den Bedingungen einer modernen Gesellschaft, die anders aussieht und anders funktioniert als noch in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. In der aktuellen Diskussion in Wissenschaft und Politik gelten insbesondere drei zentrale Annahmen, die diesem Beitrag vorangestellt werden (vgl. Rosenkranz, Görtler, Buchner 2024): 1. Ehrenamt ist nicht selbstverständlich und lässt sich nicht einfach „von oben verordnen“. 2. Ehrenamt ist dann attraktiv für Menschen, wenn es nicht (nur) aus der Sicht der Vereine und Organisationen gedacht wird, so drängend dort die Suche nach neuen Mitgliedern oft auch ist. 3. Entscheidend für die Aufnahme und/oder die Fortführung eines ehrenamtlichen Engagements sind gute Rahmenbedingungen, die die Perspektive der Ehrenamtlichen genauso berücksichtigen wie die Perspektive der Hauptamtlichen, mit denen sie eventuell gemeinsam aktiv sein werden. Dieser strategische Ansatz des Freiwilligenmanagements nimmt damit nicht nur die „aufnehmende“ Organisation selbst wahr, sondern öffnet den Blick auch für die Bedarfe der Freiwilligen und der künftig zu gewinnenden Zielgruppen für das Engagement.1 Herzstück sind verantwortliche „Kümmer:innen“ im Ehrenamt, die strategisches Freiwilligenmanagement umsetzen. Heute mag ein solcher Ansatz fast selbstverständlich und der Verweis auf diese Inklusion der Perspektiven vielleicht redundant wirken. Dahinter steht jedoch ein innovativer Prozess über 25 Jahre, der allmählich in Deutschland etabliert wurde, seit dieses Jahrtausend begonnen hat. Bemerkenswert ist dabei durchaus, dass es dauert, bis diese Perspektive in den Vereinen, in den Verbänden und den Organisationen des Engagements in Deutschland 1 Engagement und Ehrenamt werden in diesem Beitrag synonym verwendet. Seit dem Beginn der Moderne im frühen 19. Jahrhundert fokussierte der Begriff Ehrenamt vor allem auf Amt und Funktion. Seit der Definition der Enquetekommission des Deutschen Bundestages etwa im Jahr 2022 gibt es einen gemeinsamen Nenner, auf den sich viele verständigen. Konstituierende Faktoren für ehrenamtliches Engagement sind demnach, dass die Menschen freiwillig und für andere Menschen und ein „Gemeinwohl“ tätig sind und dies ohne das Ziel eines materiellen Gewinns (vgl. u. a. Deutscher Bundestag 2002; Hartnuß 2019; Backhaus-Maul 2021). www.WALHALLA.de 17
1. Strategisches Freiwilligenmanagement als Basis für gelingendes Engagement Bedeutung des Engagements als Beitrag einer modernen Gesellschaft Freiwilligenmanagement als strategisches Aufgabenfeld 18 langsam und – durchaus nicht immer stetig – ihren Weg findet und in die Praxis des Engagements diffundiert. Doch genau an dieser Konzeption lässt sich der gewandelte, der neue Ansatz im Umgang mit ehrenamtlich Engagierten festmachen. Diese Perspektive, aus der auf das Engagement geblickt wird, gewinnt an Bedeutung, wenn man Engagement als konstituierenden Bestandteil des demokratischen Sozialstaates wahrnimmt. Wirksam im Sinne einer Beziehung auf Gegenseitigkeit, an der sich Bürger:innen ehrenamtlich beteiligen und andererseits auch wieder vom Engagement anderer profitieren. Dann ist jedes einzelne Engagement – ob im Rettungsdienst, bei Vorlesepatenschaften im Kindergarten oder für die Krötenrettung – ein Zeichen aktiver Mitgestaltung der Gesellschaft. Aus soziologischer Sicht war und ist Ehrenamt dabei immer Teil gesellschaftlicher Entwicklung und abhängig von Rahmenbedingungen außerhalb des jeweiligen Ehrenamts. Engagement in allen Bereichen verändert sich kontinuierlich wie auch die anderen Bereiche einer modernen Gesellschaft: Das gilt für individuelle Vorlieben und Motivationen genauso wie für den Wunsch nach Anerkennung. Je mehr Menschen z. B. beruflich eingespannt sind, desto weniger Zeit bleibt womöglich für ein Ehrenamt. Je knapper die Haushaltskasse in der Familie, desto schwieriger wird es, Zeit für ein ehrenamtliches Engagement unentgeltlich einzusetzen. Wenn Engagement ein Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander ist und das Ziel weiterhin sein soll, dass sich Menschen engagieren, dann muss ermöglicht werden, dass Ehrenamt im Leben der Menschen einen Platz haben kann, dass es attraktiv ist und dass es Spaß macht, Zeit für dieses Engagement aufzuwenden. Und es braucht Ideen, damit es zeitlich auch für Mütter und Väter mit kleinen Kindern, für Berufstätige und für Berufspendler zu schaffen ist. Und dass auch Engagement für Menschen möglich wird, die nach Deutschland eingewandert sind und womöglich bisher weder den Begriff „Verein“ gehört haben noch das Konzept „zivilgesellschaftliches Engagement“ kennen oder schon selbst erlebt haben. Die These lautet hier: Wenn Verantwortliche für Engagement diesen Wandel wahrnehmen, ihn mitdenken und in eine eigene Strategie umsetzen, wird es für das Ehrenamt auch künftig gute Rahmenbedingungen geben. Dies ist der Ansatz strategischen Freiwilligenmanagements. Gesangvereine lösen sich auf, Feuerwehren müssen aktiv um Nachwuchs werben. In dieser Lage ist es zunächst verständlich, dass Ehrenamt über viele Jahre häufig vom Organisationsinteresse aus gedacht wurde. Dabei ging es um Fragen wie: Woher kommen neue Mitglieder? Was muss der/die neue Vereinsvorsitzende mitbringen? Was benötigt die Organisation? Auf den ersten Blick könnte man die Aufgaben im Freiwilligenmanagement daher so verstehen, dass „Kümmer:innen“ dafür sorgen, dass viele Ehrenamtliche kommen, sich angenommen und begleitet fühlen. Tatsächlich geht es weit darüber hinaus: Ziel ist ein strategisches Gesamtpaket, dass das Interesse der Organisation erweitert um die Perspektive der Ehrenamtlichen. Die Ansprache (künftiger) Ehrenamtlicher ist dann z. B. www.WALHALLA.de
1. Strategisches Freiwilligenmanagement als Basis für gelingendes Engagement direkt verbunden mit einer transparenten und klaren Aufgabenbeschreibung, zeitgemäßer Anerkennung und persönlicher Begleitung. Bis zur Jahrtausendwende war diese Perspektive in der Fachwelt nicht sehr stark entwickelt. In Philadelphia, USA, publizierte Susan J. Ellis ab 1994 Schriften und Ratgeber, die damals in Deutschland nur mit Mühe zu erhalten waren (vgl. Ellis 2002). Es gab mit der Gründung der „Akademie für Ehrenamtlichkeit im fjs e. V.“ in Berlin u. a. von Christiane Biedermann (2000) erste Konzepte für die Gestaltung von Engagement. Und der Bundestag hatte um das Jahr 2000 die Enquetekommission eingerichtet und damit früh das Thema Engagement politisch gesetzt. Von den Vereinten Nationen wurde dann das Jahr 2001 zum Internationalen Jahr des Ehrenamts deklariert. Als junge und frisch berufene Professorin mit empirischer Erfahrung im Volunteers Management in den USA organisierte die Autorin zusammen mit der Psychologin Angelika Weber im März 2001 aus diesem Anlass eine Fachtagung. Finanziert wurde die Tagung durch die Bosch-Stiftung und das Bayerische Sozialministerium, zu Gast bei der Tagung in Würzburg waren etwa 450 Teilnehmende aus ganz Bayern. Themen waren die künftige Entwicklung des Engagements sowie die Chancen und Stolpersteine für Vereine und Verbände. Aufgrund der großen, positiven Resonanz entstand die Idee, das Konzept „Strategisches Freiwilligenmanagement“ für die Praxis weiterzuentwickeln. Bei der Gründung der „Hochschulkooperation Ehrenamt“ war neben den Inhalten auch die Zusammensetzung der Stakeholder innovativ: aus Bayern drei Hochschulen, die Mitglieder des Landesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement und bald noch die Spitzen der Träger der Freien Wohlfahrt (vgl. www.hochschul-kooperation-ehrenamt.de). Seit dem Jahr 2008 gibt es die jährlichen Lehrgänge der „Hochschulkooperation Ehrenamt“. Die inzwischen etwa 460 Absolvent:innen dieser Weiterbildung sind in Bayern, Deutschland und der Schweiz in allen Feldern des Engagements tätig. Seit 2015 ist der Lehrgang auch in Österreich etabliert. Seit 2014 hat sich zudem aus dem Kreis des Lehrgangs ein fachliches Netzwerk entwickelt – die Gesellschaft für Freiwilligenmanagement. Sie steht allen Interessierten am Freiwilligenmanagement offen und ist aktiver Partner in der Vertretung der Belange der „Kümmer:innen“ (vgl. www.gesellschaft-freiwilligenmanagement.de). Das Interesse an der Weiterbildung blieb über die Jahre hoch, es zeigte sich aber auch, dass ein erfolgreiches Konzept für strategisches Freiwilligenmanagement immer verbunden ist mit einer kontinuierlichen Organisationsentwicklung. Ein solcher Prozess kann zeitintensiv sein und benötigt Ressourcen. Oft ist dieser Prozess mit einer strategischen Planung verbunden, wo die Organisation in „x Jahren“ stehen will, ob z. B. im Ehrenamt dann andere Zielgruppen angesprochen werden oder andere Formen der Anerkennung gelten sollen. All dies bedarf politischer Entscheidungen und Aushandlungsprozesse für passende Rahmenbedingungen. Das Land Bayern und das für Grundsatzfragen im Engagement zuständige Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales haben als Teil der Engagementstrategie förderliche Internationales Jahr des Ehrenamts 2001 Hochschulkooperation Ehrenamt www.WALHALLA.de 19
1. Strategisches Freiwilligenmanagement als Basis für gelingendes Engagement Hoher Bedarf an Qualifizierung Wissensbedarfe Rahmenbedingungen seit vielen Jahren tatkräftig unterstützt2 und die Infrastruktur für Bürgerschaftliches Engagement in Bayern stark und erfolgreich ausgebaut, etwa durch die Förderung der Freiwilligenagenturen in Bayern oder die Veranstaltung Ehrenamtskongress Bayern. (Ein Überblick zur Infrastruktur findet sich bei Rosenkranz, Görtler, Buchner 2024, S. 36–41). Strategisches Freiwilligenmanagement ist also zentrale Voraussetzung für gelingendes Engagement. Doch erstaunlich wenig ist bisher aus Erhebungen bekannt über die konkrete Tätigkeit und Arbeitssituation der Ansprechpersonen im Engagement. Eine Pilotstudie, finanziert durch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE), lieferte 2023 nun erste empirische Anhaltspunkte, was es heißt, sich in Freiwilligenkoordination und Freiwilligenmanagement um Engagement zu „kümmern“ (vgl. Rosenkranz, Buchner, Görtler 2023). Insgesamt zeigen die etwa 1.430 Befragten in Deutschland eine enorme Heterogenität, sie sind ehrenamtlich als auch hauptamtlich zuständig für Engagement in ihrem Umfeld und nicht über eine einheitliche Benennung zu identifizieren. Oft sind geringe Stundenkontingente mit einer hohen Dichte an Aufgaben verbunden (ausführlich unter www.engagement-gestalten.de). Eine Auswahl der Ergebnisse: Etwa ein Viertel (23 Prozent) sagt, dass es tatsächlich Ehrenamts- oder Freiwilligenkoordinator:in genannt wird. Ein Drittel der Befragten (34 Prozent) gibt an, sich im Rahmen anderer Funktionen als „Sozialarbeiter:in“ oder „Geschäftsführung“ um Fragen des Ehrenamts zu „kümmern“. Über die Hälfte der Befragten (56 Prozent) wünscht sich mehr Austausch mit Personen in ähnlichen Positionen und ähnlichen Tätigkeitsfeldern. Konkretes Wissen wünschen sich Kümmer:innen zu den Themen Gewinnung und Bindung von Ehrenamtlichen (24 Prozent), rechtliche Fragen und Finanzierung (18 Prozent). Fast 60 Prozent der verantwortlichen „Kümmer:innen“ haben bisher keine Qualifizierung oder Weiterbildung zum Thema Engagement oder Freiwilligenmanagement besucht. Fazit Ehrenamtliches Engagement ist nicht selbstverständlich. Ehrenamtliches Engagement ist ein freiwilliges Geschenk von Bürger:innen, das nicht „verordnet“ werden kann, sich aber durch gute Rahmenbedingungen gestalten lässt. Die Gestaltung von Engagement ist in dieser Perspektive ein Gesamtpaket, das durch Instrumente und Akteure des strategischen Freiwilligenmanagements gestärkt wird. Notwendig sind neben mehr empirischer Forschung zum Arbeitsfeld Freiwilligenmanagement eine Stärkung der Qualifizierung und der Vernetzung jener professionellen Akteur:innen, die als „Kümmer:innen“ eine zentrale Bedeutung im Engagement einnehmen. 2 So ist die Förderung des Ehrenamts seit dem Jahr 2013 als Staatsziel in der Bayerischen Verfassung verankert (vgl. Bayerischer Landtag 2013). In Art. 121 heißt es dort: „Staat und Gemeinden fördern den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl.“ 20 www.WALHALLA.de
4.1 Alles für einen gelingenden Start und ein gutes Miteinander Volunteerism 1986 ihr Schulungskonzept für Freiwillige vorstellten und ein Handout dabeihatten, in dem die Aufgaben des Freiwilligenmanagements in dieser Form aufgezeigt wurden (Lawson, Lawson, 1987, S. 35). Allgemein kann gesagt werden, dass es für die Inhalte des Engagementkreislaufs eben nicht den/die Autor:in gibt, sondern dass dieses Konzept aus der Praxis und aus sehr verschiedenen Quellen entwickelt wurde und immer wieder neu bewertet wird. Die Inhalte des Engagementkreislaufs bleiben in Diskussion, wie der Beitrag von Jill Jukes aus 2017 mit dem Titel „It’s Time to Update the Volunteer Engagement Cycle“ zeigt (Jukes, 2017). Der Engagementzyklus wird von vielen Organisationen in leicht abgewandelter Form genutzt und dargestellt. In der folgenden Darstellung haben wir einen eigenen Zyklus erarbeitet, der alle für uns wichtigen Themen mit einschließt. Die Unterkapitel folgen der Logik dieses hier dargestellten Kreislaufs. Abbildung 5: Engagementzyklus, (eigene Darstellung) 56 www.WALHALLA.de
4. Mit Freiwilligen erfolgreich zusammenarbeiten Zu Beginn der Arbeit mit Freiwilligen stehen die Vorbereitung der Organisation und die Entwicklung einer Konzeption zum Einsatz von freiwillig Engagierten, an der sich die Arbeit orientieren wird. Wenn die Vorbereitungen abgeschlossen sind, geht es darum, Freiwillige für das Engagement in der Organisation zu gewinnen und über Erstgespräche passende Engagierte auszuwählen. Eine gelingende Einarbeitung ist wichtig für den Start, genauso wie für eine nachhaltige und langfristige Zusammenarbeit. Um die Freiwilligen zu begleiten und im besten Fall langfristig zu binden ist der regelmäßige Austausch, eine individuelle Unterstützung und konstruktives Feedback unabdingbar. Das Angebot von Fort- und Weiterbildungen bietet den Engagierten die Möglichkeit, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern, an ihren Aufgaben zu wachsen und sich auch in der Organisation weiterzuentwickeln. Sie dienen somit einerseits zur Begleitung und zur Bindung der Engagierten, jedoch auch als eine Form der Wertschätzung und Anerkennung. Das Ende eines Engagements kann viele Gründe haben, die Verabschiedung ist jedoch von großer Bedeutung, um den Einsatz zu würdigen, Dank auszudrücken und die Funktion als Botschafter:innen nach außen positiv zu gestalten. Der Einsatz der Ehrenamtlichen sollte immer reflektiert werden, sowohl mit den jeweiligen Personen als auch in der Organisation, denn dadurch kann es erst zur Schärfung und Weiterentwicklung der Konzeption kommen und der Zyklus kann von Neuem beginnen. 4.2 Die Organisation vorbereiten | Das Haus richten Wolfgang Krell Wer Gäste in sein Haus einlädt, muss einige Vorbereitungen treffen. Auch spontane Gäste können kommen, aber um auf solche Überraschungen vorbereitet zu sein, sollte es auch dafür eine grundlegende Planung geben. Zum Internationalen Jahr des Freiwilligenengagements der UNO 2021 hat das Diakonische Werk Deutschland eine Broschürenreihe zur Arbeit mit Freiwilligen herausgegeben. Eine Broschüre hatte den Titel „Das Haus richten“, was ein schönes Bild dafür ist, wie Organisationen sich im Rahmen des Freiwilligenmanagements vorbereiten sollten (Diakonie, 2001). Selbsttest: Wie engagementfreundlich ist unsere Organisation? Welche der folgenden Fragen können Sie mit JA beantworten? Regelmäßigen Austausch anbieten 1 Wir wissen, dass Ehrenamtliche für unsere Einrichtung wichtig sind, und strahlen das auch aus. ☐ Ja ☐ Nein 2 Es gibt bei uns Standards für die Ehrenamtsarbeit bzw. ein Konzept, das den Rahmen regelt. ☐ Ja ☐ Nein 3 Für die Gewinnung und Begleitung von Engagierten haben wir Verantwortliche bzw. Ansprechpartner*innen benannt. ☐ Ja ☐ Nein 4 Wir bieten unterschiedliche Engagementmöglichkeiten und -formate – darunter auch solche, die nur wenig Zeit beanspruchen oder digital/kontaktfrei möglich sind. ☐ Ja ☐ Nein www.WALHALLA.de 57
4.2 Die Organisation vorbereiten | Das Haus richten 5 Wir haben die Aufgaben, die Ehrenamtliche in unserer Einrichtung verrichten können, klar beschrieben. ☐ Ja ☐ Nein 6 Über die Engagementmöglichkeiten in unserer Einrichtung informieren wir regelmäßig. Z. B. auf unserer Homepage, im Schaukasten oder in Rundbriefen/Newsletter. ☐ Ja ☐ Nein 7 Wir versuchen, für jedes Talent das passende Engagement zu finden, und sind dabei auch offen für neue Ideen. ☐ Ja ☐ Nein 8 Wir berichten nach innen und außen, was mit dem freiwilligen Engagement Gutes bewirkt wird. ☐ Ja ☐ Nein 9 Die Tätigkeiten sind so zugeschnitten, dass haupt- und ehrenamtliche Aufgaben möglichst klar voneinander abgegrenzt sind. ☐ Ja ☐ Nein 10 Die Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen ist von Respekt und gegenseitiger Anerkennung geprägt. ☐ Ja ☐ Nein 11 Engagierte wissen, was sie erwartet. Es werden klare Absprachen über Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten getroffen. ☐ Ja ☐ Nein 12 Es gibt ein Budget für die Ehrenamtsarbeit, z. B. für die Erstattung von Auslagen der Engagierten und deren Fortbildung. ☐ Ja ☐ Nein 13 Wir würdigen das Engagement in unserer Einrichtung im Rahmen von Veranstaltungen oder durch andere Formen der Anerkennung. ☐ Ja ☐ Nein 14 Abschied ist bei uns kein Tabu: Ehrenamtliche dürfen eine Tätigkeit ohne schlechtes Gewissen auch wieder beenden. ☐ Ja ☐ Nein 15 Wir wollen die Ehrenamtsarbeit in unserer Einrichtung kontinuierlich verbessern. Deshalb reflektieren wir das Thema Ehrenamt-/Engagementförderung regelmäßig in unseren Gremien. ☐ Ja ☐ Nein Bedarfsanalyse Tabelle 1: Selbsttest: Wie engagementfreundlich ist unsere Organisation? (geringfügig bearbeitet, Fachstelle Engagementförderung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, 2021, S. 15) Bei 13- bis 15-mal Ja sind die wesentlichen Voraussetzungen für den Einsatz von Freiwilligen in der Organisation geschaffen und die Organisation gut aufgestellt, bei sieben- bis zwölfmal Ja sind doch noch einige vorbereitenden Arbeiten notwendig. Bei null- bis sechsmal Ja steht eine Organisation erst ganz am Beginn einer möglichen Zusammenarbeit mit Freiwilligen. Zum Start der Zusammenarbeit mit Freiwilligen oder einem Neustart in der Freiwilligenarbeit sollte noch einmal eine Bestandsaufnahme erfolgen, ob alle notwendigen Vorbereitungen getroffen wurden. Der erste Schritt sollte die Bedarfsanalyse sein, d. h., gemeinsam im Team zu überlegen, wo und in welchen Bereichen der Organisation Bedarfe vorhanden sind, die von Freiwilligen übernommen oder teilweise abgedeckt werden können. Dabei gilt es, diese Analyse 58 www.WALHALLA.de
RkJQdWJsaXNoZXIy MTM5MDIz